Céret (in Südfrankreich), Ausstellungsbesuch im Musée d'Art moderne de Céret, IOCO

Céret (in Südfrankreich), Ausstellungsbesuch im Musée d'Art moderne de Céret, IOCO
Das Musée d'Art moderne de Céret © Hanns Butterhof

Fast ein Picasso-Museum

Künstlerfreundschaften prägen das Musée d'Art moderne de Céret

Von Hanns Butterhof

CÉRET. Es ist Céret, der kleinen Hauptstadt des Vallespir im an Spanien grenzenden Südfrankreich mit seinen heute knapp 8000 Einwohnern, nicht an der Wiege gesungen worden, dass es in den 1920er Jahren zu einem Zentrum der modernen Malerei werden sollte. Seine glückliche Lage südlich des heiligen Berges der Katalanen, dem 2785 Meter hohen Canigou, schützt Céret vor dem kalten Tramontane-Wind. Das beschert der Stadt ein mildes südfranzösisches Mikroklima, in dem die frühesten Kirschen Frankreichs reifen, die traditionell dem französischen Präsidenten überreicht werden. Nicht zuletzt dieses Klima bewog  im Jahr 1910 den Bildhauer Manuel Martinez Hugué, genannt Manolo, den Komponisten Déodat de Séverac und den Maler Frank Burty Haviland, ihren Besuch bei dem katalanischen Bildhauer Aristide Maillol im weiter südlich am Meer gelegenen Banyuls aufzuschieben und sich in Céret dauerhafter niederzulassen. Begeisterte Briefe über die Schönheit der Stadt und ihrer Umgebung an die Künstlerfreunde in Paris lockten dann ziemlich alle her, die in der Geschichte der modernen Kunst Rang und Namen haben, von Pablo Picasso über Georges Braque und Juan Gris bis zu Marc Chagall.

Aus dem Geist der Künstlerfreundschaft entstand dann 1950 das Musée d'Art moderne de Céret, das die Werke dieser Künstler und dieser Zeit versammelte - mit Pablo Picasso als populärem Schwerpunkt. Von ihm besitzt das Museum heute über 50 Werke, darunter 28 extra für Céret angefertigte rot-braune Tonschalen mit Stierkampf-Motiven.

Picassos Portrait flankieren Landschaften seiner Freunde, © Hanns Butterhof

Heute empfangen die Ausstellungsräume im Parterre des 2022 beeindruckend umgebauten und erweiterten Museums die Besucher mit dem Geist der frühen 1920er Jahre. Unvermeidlich läuft man im ersten der 6 Räume der chronologisch aufgebauten Dauerausstellung auf ein Gemälde Picassos aus dessen „blauer Periode“ zu, das „Portrait de Corina Pere Romeu“. Es entstand 1902 in Barcelona und zeigt ansprechend in konventioneller Dreiviertel-Ansicht eine Frau mit traditionell spanisch hochgesteckter Frisur, weißer Bluse und goldener Halskette. Es stellt die Ehefrau Pere Romeus dar, dem Gründer des Kabaretts und Künstlertreffs „Els Quatre Gats“ (Die vier Katzen) in Barcelona.

Doch dieses Bild wird umfangen von den Werken der Freunde, die auf den Ruf Manolos nach Céret gekommen waren; der hatte schon in den „Els Quatre Gats“ und später in Paris zum Kreis um Picasso gehört. Von Manolo findet sich eine Vitrine mit Büsten und kleinen, traditionalistisch gestalteten Plastiken. Sie stehen, wie auch seine knapp einen Meter große Sitzende Katalanin „Catalane assise. Hommage à Déodat de Séverac“ von 1923, denen Aristide Maillols nahe; ein von Maillol nahezu akademisch gemaltes „Portrait d'une Catalane“ von 1885 korrespondiert mit dem von Picasso gemalten. Und so füllt sich der Kosmos der Künstlerfreude mit Bildern in den kräftigen erdigen Farben von Céret und seiner Umgebung, etwa von Jean Marchand mit der „Paysage à Céret“ (1912),  von Frank Burty Haviland mit „Le Figuier“ (1913/14), einem kubistischen Feigenbaum, und lichtvollen Landschaften von George-Daniel Manfreid.

Bilder der Freunde begleiten auch Picassos Keramiken, © Hanns Butterhof

Wie um die Spannung auf die Kronjuwelen des Museums zu steigern, widmen sich drei weitere Räume Céret unter einem je eigenen Aspekt. Er betrifft einmal das von dem Publizisten André Salomon ausgerufene „Mekka des Kubismus“ etwa mit Pierre Brunes „La fête foraine“ von 1914 mit aufgelöster Perspektive auf ein Straßenfest oder geometrisierten Portraits von Frank Burty Haviland. Das andere Mal geht es um die Sicht seiner Maler auf Céret in vielen Stadt- und Landschaftsbildern von Pinchus  Krémègne, André Masson oder Chaim Soutiné. Schließlich erscheint Céret als Zufluchtsort vor dem deutschen Einmarsch in Frankreich, vor allem für Raoul Dufy und Pinchus  Krémègne.

Dann aber kehrt die ursprünglichen Präsentationsweise im Zentrum des Museums mit Aplomb zurück. In einem langgestreckten Saal prangen Picassos Keramiken, große bemalte Vasen, Teller mit Stierkopf-Motiven und vor allem die 28 extra für Céret angefertigten rot-braunen Tonschalen mit Stierkampf-Motiven. Flimmernde Filmchen zeigen den Meister als Stierkampf-Afficionado wie auch bei der Formung einer Friedenstaube aus Ton. Selbst hier werden Picassos Werke von den Bildern seiner Freunde buchstäblich umfangen: Die Wände zieren Landschaften von Pierre Brune, dem Gründer des Museums, und Frank Burty Haviland, und neben den Tonschalen behauptet sich „La guerre“ (Der Krieg, 1943) von Marc Chagall.

Die Kronjuwelen des Museums, Picassos Tonschalen, © Hanns Butterhof

Der folgende Raum wirkt wie ein ferner Nachklang. Keramiken Edouard Pignons zeigen deutlich den Einfluss Picassos, und Ölgemälde von Léopold Survage wie „Marchande de poissons“, Die Fischverkäuferin von 1927 und von Willy Mucha „Catalane à la chéminée“, Eine Katalanin am Weg von 1945 weisen eher auf die Entwicklung der Schwester-Künstlerstadt Collioure weiter südlich am Meer, wo Henri Matisse 1905 den Fauvismus erfand, als auf Céret.

Die folgenden Säle stehen ganz für Sterne am Künstlerhimmel außerhalb der künstlerischen Entwicklung Cérets. Als Solitär leuchtet Marc Chagalls „Les Gens du voyage“ von 1968, dem Fahrenden Volk gewidmet, in einem eigenen Saal. Und mit einem gewaltigen metallenen „Tête“ (Kopf) von 1974 und einer „Femme oiseau“, einer VogelFrau-Gouache auf zerknittertem Papier von 1972, teilt sich Joan Miró den letzten Raum mit dem extravaganten Surrealisten Salvador Dalí. Von diesem liegt in einer Vitrine das Objekt „Dix recetteses d'immortalité“ , Zehn Rezepte zur Unsterblichkeit von 1973, in einem durchsichtigen, mit Schlössern und einem Telefonhörer als Griff versehenen Koffer, und Filmaufnahmen halten seinen ziemlich peinlichen Auftritt mit seiner Frau Gala am 27.8.1965 in Céret fest. Nicht wegen dieser letztgenannten Künstler ist das Musée d'Art moderne de Céret nur fast ein Picasso-Museum, sondern wegen des umfassenden Geistes der Künstler-Freundschaft, aus der es vor 75 Jahren gegründet wurde und den es noch heute einzigartig bewahrt.

In der ersten, lichtdurchfluteten Etage des Museums mit der Gegenwartskunst, einer ortlosen Moderne, feiert noch bis zum 16. November die umfangreiche Sonderausstellung „75 ans d'amitié“ ,75 Jahre der Freundschaft, den ursprünglichen Geist von Céret mit Werken aller beteiligten Künstler und Förderer.

 Das Museum am 8 boulevard Maréchal Joffre, F 66400 Céret,  ist ganzjährig geöffnet,

vom 1. September bis 30. Juni täglich außer montags, vom 1. Juli bis 31. August jeden Tag von 10 bis 19 Uhr.

Eintritt: 10,00 €, reduziert  7,00 €. Kinder unter 18 Jahren frei

Kontakt: contact@musee-ceret.com

Telefon: +33 (0)4 68 87 27 76

 

 

 

Read more