Baden-Baden, Festspielhaus, Schumann Quartett mit Mozart und Smetana, 12.01.2020
Drei Brüder und eine Bratschistin – Das Schumann Quartett spielt in der Sonntags-Matinee Werke von Mozart und Smetana
Sonntag, 12. Januar 2020, 11 Uhr
Nachdem sie in gleich zwei bedeutenden Wettbewerben den ersten Platz gewonnen haben, machen die Musiker des Schumann Quartetts Weltkarriere. Am Sonntag, 12. Januar 2020, 11 Uhr, gastieren sie mit Mozarts „Hoffmeister-Quartett“ und Smetanas „Aus meinem Leben“ im Festspielhaus Baden-Baden.
Seit ihrer frühesten Kindheit spielen die drei im Rheinland großgewordenen Brüder Mark, Erik und Ken Schumann zusammen. 2012 ist die in Tallinn geborene und in Karlsruhe aufgewachsene Liisa Randalu als Bratschistin dazu gekommen. Die Vier genießen die nonverbale Kommunikation beim Musizieren: Ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten treten dabei deutlicher hervor, und gleichzeitig entsteht mit jedem Werk, das sie interpretieren, ein gemeinsamer musikalischer Raum, findet eine geistige Metamorphose statt.
Vielleicht sind diese Offenheit und Neugierde die entscheidenden Einflüsse von Lehrern wie Eberhard Feltz, dem Alban Berg Quartett oder Partnern wie Menahem Pressler, Sabine Meyer und Andreas Ottensamer.
Ihre Leistung wurde mit dem ersten Preis beim renommierten Streichquartett-Wettbewerb 2013 in Bordeaux und mit einem ersten Preis beim Internationalen Wettbewerb „Schubert und die Musik der Moderne“ 2012 in Graz honoriert.
Ihre Einspielungen sind mehrfach preisgekrönt, so wurde ihr 2017 erschienenes Album „Landscapes“ mit 5 Diapasons ausgezeichnet, war Editor’s choice beim BBC Music Magazine und gewann den Jahrespreis der deutschen Schallplattenkritik. Ihr aktuelles Album „Intermezzo“ wurde mit dem OPUS Klassik 2019 in der Kategorie „Kammermusikeinspielung des Jahres“ ausgezeichnet.
Lehrer, musikalische Partner, Preise, Veröffentlichungen – gerne werden Stufen konstruiert um herzuleiten, warum viele das Schumann Quartett heute zu den besten überhaupt zählen. Die Vier fassen solche Daten eher als Begegnungen auf, als Bestätigung für ihren Weg. Sie empfinden die musikalische Entwicklung der letzten zwei Jahre als Quantensprung. „Wir haben Lust darauf, es bis zum Äußersten zu treiben, zu probieren, wie die Spannung und unsere gemeinsame Spontaneität trägt", sagt Ken Schumann, der mittlere der drei Schumann Brüder. Versuche, ihnen einen Klang, eine Position, eine Spielweise zuzuordnen, hebeln sie charmant aus, lassen allein die Konzerte für sich sprechen.
Seit Dezember 2016 hat das Quartett eine Residenz bei der Chamber Music Society des Lincoln Centers in New York City inne. In dieser Spielzeit geht das Schumann-Quartett in den USA auf Tour, ist zu Gast bei Festivals in Deutschland, Frankreich, in der Schweiz und den Niederlanden und gibt Konzerte in den großen Musikmetropolen Europas. Im April 2020 sind die Musiker an der Uraufführung der Oper „Inferno“ von Lucia Ronchetti an der Oper Frankfurt beteiligt.
Das 1786 veröffentlichte Streichquartett D-Dur für zwei Violinen, Viola und Violoncello, KV 499, das sogenannte „Hoffmeister-Quartett” von Wolfgang Amadeus Mozart greift seiner Zeit in seiner vollständigen Einheit von Klang, Kontrapunkt und Melodie weit voraus und weist der musikalischen Sprache Beethovens und Schuberts den Weg. In Mozarts D-Dur-Quartett sind alle vier Stimmen gleichberechtigt. Die Melodie wird nicht einer Stimme zugewiesen, sondern erwächst aus einem pastosen, fast dauernd vierstimmigen Streichersatz von extremer Dichte und besonderer Klangschönheit – beinahe wie in Beethovens mittleren Quartetten. Am schönsten ist dies im Adagio zu hören, wo Ober- und Unterstimmen im stetigen, paarweisen Austausch eine Art „unendlicher Melodie” entfalten. Deren reiche Verzierungen und melodische Gesten sind aus den pathetischen Opernarien der Zeit abgeleitet. Das Menuett sprengt den Rahmen des Gesellschaftstanzes ebenso wie das Finale den eines Kehrauses. Mozart lässt hier mit genialer kontrapunktischer Kunst ein Thema in Triolen und eines in Duolen zunächst alternieren, um sie dann scheinbar mühelos zu kombinieren.
Obwohl der tschechische Komponist Bed?ich Smetana ein geselliger Mensch war, der zahlreiche Freundschaften pflegte und sich gern mit Kollegen über Musik austauschte, behielt er zumindest was seine eigenen Werke anging, die Dinge gern für sich. Alles zu zerdenken oder erklären zu müssen, empfand er als unnötig. Der Zuhörer werde seine Musik auch so verstehen, sagte er. Nur einmal machte Smetana eine Ausnahme: Vor der Uraufführung seines Streichquartetts Nr. 1 e-Moll verfasste er eine Kurzbeschreibung, um seine kompositorischen Absichten mitzuteilen. Denn seine vielleicht persönlichste Komposition trägt zu Recht den Titel „Aus meinem Leben“. Ähnlich wie Tschaikowsky in seinen letzten beiden Sinfonien ließ Smetana sein Leben in einem groß angelegten viersätzigen Werk Revue passieren. Er bediente sich ähnlicher musiksymbolischer und zyklischer Mittel wie sein russischer Kollege, um das Verhängnisvolle des persönlichen Schicksals, aber auch die überpersönliche Ebene des Volkslebens auf romantische Weise in Töne zu fassen. Das Programm des Quartetts hat Smetana in einem Brief wie folgt umrissen:
„Was ich beabsichtige, war den Verlauf meines Lebens in Tönen zu schildern. Erster Satz: Neigung zur Kunst in meiner Jugend, romantische Stimmung, unaussprechliche Sehnsucht. Gleichzeitig melden sich schon in diesem Beginn die Warnung vor dem künftigen Unglück und der langanhaltende Ton, das viergestrichene E, aus dem Finale; es ist dies jenes verhängnisvolle Pfeifen in den höchsten Tönen, das 1874 in meinen Ohren entstand und mir die beginnende Taubheit anzeigte… Der zweite Satz, ‚Quasi-Polka‘, führt mich in der Erinnerung zurück in das lustige Leben meiner Jugendzeit, wo ich als Komponist meine Umwelt mit Tanzstücken überschüttete, selbst als leidenschaftlicher Tänzer bekannt war usw….Der dritte Satz, Largo sostenuto, erinnert mich an das Glück der ersten Liebe zu einem jungen Mädchen, das später meine treue Gattin wurde. Der vierte Satz: Erkenntnis der elementaren Kraft der Nationalmusik, Freude über den Erfolg des eingeschlagenen Weges bis zum Augenblick der jähen Unterbrechung durch die ominöse Katastrophe: Beginn der Taubheit. Ausblick in eine freudlose Zukunft, ein kleiner Schimmer der Hoffnung auf Besserung, schließlich doch nur ein schmerzliches Gefühl. Das ist etwa der Inhalt der Komposition, die… absichtsvoll nur für vier Instrumente geschrieben wurde: sie sollen sich sozusagen im engsten Freundeskreis darüber unterhalten, was mich so bedeutungsvoll bewegt. Nicht mehr.“ Smetana vertraute den Instrumenten an, was ihn, so „bedeutsam bedrückt“ und gibt uns damit einen Einblick in sein Innerstes. Wie in einer Autobiografie lässt er sein Leben Satz für Satz Revue passieren.
---| Pressemeldung Festspielhaus Baden-Baden |---
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