Münster, Kunstmuseum Pablo Picasso, ANDY WARHOL - Druckgrafiken, IOCO Austellungen, 18.05.2022

Münster, Kunstmuseum Pablo Picasso, ANDY WARHOL - Druckgrafiken, IOCO Austellungen, 18.05.2022
Kunstmuseum Pablo Picasso Muenster © Kunstmuseum Pablo Picasso
Kunstmuseum Pablo Picasso Muenster © Kunstmuseum Pablo Picasso

Kunstmuseum Pablo Picasso

ANDY WARHOL - Druckgrafiken - Picasso-Museum Münster

- Der eine bewundert, der andere ignoriert -

von Hanns Butterhof

Gerade wurde die Aufmerksamkeit der Kunstwelt wieder auf Andy Warhol (1926 – 1987) gerichtet, als sein Portrait „Marilyn“ der US-Diva Marilyn Monroe für rund 195 Millionen Dollar versteigert wurde, dem Rekordpreis für ein Werk aus dem 20. Jahrhundert. Er übertraf damit den bisherigen Rekordhalter Pablo Picasso (1881 – 1973), dessen „Les femmes d'Alger“ mit etwa 160 Millionen Dollar unter den Hammer kam.

Jetzt zeigt das Kunstmuseum Pablo Picasso Münster bis zum 19. 9. 2022 die Ausstellung Andy Warhol. Prints und Screen Tests mit rund 80 Drucken aus den Beständen einer Privatsammlung und 8 kurzen Experimentalfilmchen aus dem Andy Warhol-Museum Pittsburg.

Dem sehr aktuellen, wenn auch nur kommerziellen Bezugspunkt fügt Museumsdirektor Markus Müller noch zwei weitere hinzu, die eine Ausstellung von Warhol im Picasso-Museum nahelegen: Formal begegnen sich beide im breiten Verwenden des Druckes, thematisch in der mehr oder weniger respektvollen Variation von Originalen anderer Künstler. Biographische Berührungspunkte gibt es nicht, Warhol hat, wie Müller ausführt, zwar Picasso bewundert, der aber hat ihn ignoriert.

 Kunstmuseum Pabblo Picasso Münster / hier Kuratorin Ann-Kathrin Hahn vor Beuys und Goethe © Hanns Butterhof
Kunstmuseum Pabblo Picasso Münster / hier Kuratorin Ann-Kathrin Hahn vor Beuys und Goethe © Hanns Butterhof

Die Ausstellung hat Kuratorin Ann-Kathrin Hahn thematisch eingerichtet und zeigt auf zwei Etagen Porträts,  Amerikanische Mythen und Kunst nach Werken anderer Künstler. Blickfang unter Warhols Druckgrafiken ist in der ersten Etage im zentralen großen Saal „Marilyn“ in mehreren Fassungen, darunter auch die in New York versteigerte auf grünem Grund und im gleichen Format. Der wertsteigernde Unterschied liegt nicht wesentlich im Ästhetischen oder der Drucktechnik, sondern im Material: Während das Ausstellungsstück auf Papier gedruckt ist, glänzt das Auktionsexemplar auf Leinwand und gilt damit als Gemälde.

Der Weg dorthin führt vorbei an den Experimentalfilmen, die einiges an Geduld und Leidenschaft für alles Warholige fordern, über eine Reihe früher Drucke wie der Katze „Sam“, Auftragsarbeiten wie einem Plattencover bis zu den Pop-Art-Ikonen gewordenen Campbell's Suppen-Dosen. Schon hier wird Warhols programmatischer Verzicht auf  Originalität deutlich, der die Thematik wie die Einzigartigkeit des Werks betrifft; Reproduktion ist Warhols ureigenstes Verfahren.

So finden sich im Großen Saal neben „Marilyn“-Varianten die Portraits bekannter Filmstars und Politiker von Liz Taylor über Grace Kelly und Ingrid Bergmann bis hin zur jungen Queen Elizabeth, zu Mao und Lenin. Wenn alle diese einmal vergessen sein werden, werden ihre Porträts noch immer sofort als Warhols erkennbar sein, so sehr verschwindet der Inhalt hinter dem Produzenten, über den man aber auch nicht mehr erfährt, wenn man mehrere seiner Werke gesehen hat. Das meint wohl Warhols eigene kryptische Aussage: Wenn Du alles über Andy Warhol wissen willst, so schaue Dir nur die Oberfläche meiner Bilder und Filme und mich an, und da bin ich. Es ist nichts dahinter.

Andy Warhol, Marilyn Monroe, 1967, Siebdruck auf Papier, Privatsamlung © 2022 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc; Licensed by Artists Rights Society (ARS), New York
Andy Warhol, Marilyn Monroe, 1967, Siebdruck auf Papier, Privatsamlung © 2022 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc; Licensed by Artists Rights Society (ARS), New York

Ob sich nicht einmal die Verhältnisse umkehren und man sich an die Porträtierten erinnert, wenn Andy Warhol längst vergessen sein wird? Diese Frage drängt sich geradezu in dem kleinen Saal mit Porträts von Künstlern aller Sparten auf, angefangen mit einem dunkelroten Josef Beuys, den obligatorischen Hut aufgewertet mit diamanten glitzerndem feinem Glas, über Goethe bis Beethoven, die für den europäischen Kunstmarkt produziert wurden wie ein feuerspeiender Vesuv für den italienischen und ein nacktes, „Love“ betiteltes Paar für Kunden aus Japan; Kunst und Kommerz bezeichnen für Warhol keine Gegensätze.

Wenn man in der ersten Etage alles gesehen hat, was man zu sehen erwartet hatte, überraschen in der zweiten Etage Drucke, die zumindest in Europa erstaunlich unbekannt sind. Sie behandeln amerikanische Themen, vom düsteren „Electric Chair“ über die doppelte „Brooklyn Bridge“ bis zu einer einzigartig erzählenden Serie von 7 Drucken „Flash - November 22, 1963“ zur Ermordung John F. Kennedys. Dazu gesellen sich Drucke zu amerikanische Mythen wie „Uncle Sam“, „Cowboys und Indianer“ mit “Geronimo“, dem selber ikonisch gewordenen Häuptling der Apachen, und skizzenhaft das „Washington Monument“.

Richtig spannend wird es in dem Saal, in dem Warhols Adaptionen von Werken anderer Künstler gezeigt werden. Relativ hohen Wiedererkennungswert haben großflächige Motiv-Übernahmen aus Klassikern wie „Diana Freeland Rampant“ nach „Napoleon überquert die Alpen“ von Jaques Louis David, The Scream“ nach dem „Schrei“ von Edvard Munch oder einem der „Details of Renaissance Paintings“ nach der „Geburt der Venus“ von Sandro Botticelli. Ein extrem gutes Bildgedächtnis wird jedoch benötigt, um von anderen „Details of Renaissance Paintings“  wie dem unübersichtlichen Ausschnitt nach der „Madonna del Duca da Montefeltro“ von Pietro della Francesca oder nach der „Verkündigung“ von Leonardo da Vinci auf das Original schließen zu können, ohne dass sich dadurch ein Sinn des Übernahme-Verfahrens aufdrängte.

Ähnlich verhält es sich mit der parallelen Studio-Ausstellung „Kunst nach Kunst -  Picassos Variationen nach alten Meistern“, die sich inhaltlich an die Warhol-Ausstellung anschließt. Eigenbestände des Museums zeigen Picassos künstlerische Auseinandersetzung mit ikonisch gewordenen Kunstwerken, etwa mit einer nahezu karikaturistischen Paraphrase des „Frühstück im Grünen“ von Édouard Manet, mehreren Fassungen nach „Die Schleier der Venus“ von Lucas Cranach dem Älteren  oder einem Familienbild von Jean-Auguste Ingres. Über den Sinn dieser graphisch teilweise sehr aufwendigen Zwiesprache mit anderen Berühmtheiten der Kunstgeschichte darf gerätselt werden.

Die beiden Ausstellungen befriedigen umfassend sowohl das Bedürfnis, im Museum zu sehen, was man kennt, wie auch das Interesse, Unbekanntes von einem bekannten Künstler kennenzulernen.  Und sie regen zum Nachdenken darüber an, was Kunst ist, welchen Künstler man bewundern muss oder ignorieren darf.

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  • Die Ausstellung „Andy Warhol“ im Kunstmuseum Pablo Picasso Münster läuft bis zum 18.9.2022
  • Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag und Feiertage: 10.00 bis 18.00 Uhr.
  • Der ausführliche, umfassend bebilderte Katalog zur Warhol-Ausstellung kostet an der Museumskasse 18,90 €, im Buchhandel 34,00 €.
  • Kontakt:  Kunstmuseum Pablo Picasso Münster, Picassoplatz 1, 48153 Münster, Tel.: 02514144710

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