Dresden, Kulturpalast, Dresdner Musikfestspiele 2019, IOCO Kritik, 21.05.2019

Dresden, Kulturpalast, Dresdner Musikfestspiele 2019, IOCO Kritik, 21.05.2019
Kulturpalast Dresden © Nikolaj Lund
Kulturpalast Dresden © Nikolaj Lund

Kulturpalast Dresden

Dresdner Musikfestspielen 2019 - WDR Sinfonieorchester

Drei Komponisten - Drei Kontinente

von Thomas Thielemann

Das Orchester des Westdeutschen Rundfunks war mit seinem neuen Chefdirigenten Cristian Macelaru in diesem Jahr zum ersten Mal Gast der Dresdner Musikfestspiele.

Cristian Macelaru, 1980  im rumänischen Timisoara geboren, ist erst seit vergleichsweise kurzer Zeit auf den etablierten Konzertpodien präsent. Wir lernten ihn 2017 bei  seiner Zusammenarbeit mit der Staatskapelle Weimar und Andrei Ionita als nahezu Unbekannten kennen. Bei den Dresdner Musikfestspielen 2019 stellte er sich zunächst mit einer europäische Erstaufführung und einer Neuschöpfung vor.

Die amerikanische Komponistin Gabriella Smith (*1991) hatte ihm ihre Partitur „Field Guide“ für eine europäische Erstaufführung in die Tasche gesteckt. Als Einstimmung für eine originelle Neukomposition war dieser letztlich realistische „Gang über ein von Insekten und Vögeln bewohntes Feld“ auch gut ausgewählt.

Dresdner Musikfestspiele 2019 / Konzert der "Drei Kontinente" - hier : WDR Sinfonieorchester © Oliver Killing
Dresdner Musikfestspiele 2019 / Konzert der "Drei Kontinente" - hier : WDR Sinfonieorchester © Oliver Killing

Als Intendant der Dresdner Musikfestspiele und solistisch Tätiger hatte Jan Vogler drei kreative in unserer Zeit und in der Gesellschaft verortete Tonschöpfer unterschiedlicher  Kontinente gebeten, ihm ein unsere Welt möglichst umspannendes Werk für sein Cello mit Orchester zu gestalten. Der chinesische Komponist Zhou Long (*1953 in Peking), der Deutsche Allrounder Sven Helbig  (*1968 in Eisenhüttenstadt) und der US-amerikanische Arrangeur und Komponist Nico Myhly (*1981) wagten die Schritte auf den Weg, eigenständige Kultur mit dem  weltumspannenden Kontext zu verbinden. Dabei war von vornherein vereinbart worden, dass weitgehend unabhängig gearbeitet wird. Die vier Protagonisten erläuterten, dass jedem Teil ein Zeitrahmen etwa zehn Minuten zukommen solle. Des Weiteren wurde die thematische Richtung der Beiträge vereinbart. Dabei sollten Humor und Leichtigkeit im Vordergrund stehen. Nach Aussage der vier hat es in der Folgezeit nur geringe Kommunikationen gegeben.

Der im Programm ausgedruckte Titel Drei Kontinente sei ein Arbeitstitel und werde konkretisiert, falls sich das „Produkt“ etabliere.

Im Konzert wurde, abweichend von der Programmheft Ankündigung, als Auftakt der von Zhou Long geschaffene Satz gespielt, der sich an einem alten chinesischen Gedicht über acht leicht angetrunkene Poeten orientiert hat. Schlaginstrumente charakterisieren die zunehmende Trunkenheit. Das Solocello übernimmt die Funktion und den Geist der alten siebensaitigen Zitter „Gugin“. Bläser und dunkle Streicher betonen den melancholischen  Grundton.

Dresdner Musikfestspiele 2019 / Konzert der "Drei Kontinente" - hier : mit Zhou Long   © Oliver Killing
Dresdner Musikfestspiele 2019 / Konzert der "Drei Kontinente" - hier : mit Zhou Long © Oliver Killing

Betont langsam folgte dann der europäische als Aria benannte Beitrag von Sven Helbig. Sehr melodisch und die Themen kaum abschließend, lässt der Komponist selbst das Cello im Ungefähren stehen.

Erst das abschließende Scherzo von Nico Muhly lässt dann Tonsequenzen auf und ab schwellen, etwas amerikanisch hetzend, mehrfach wiederholend. Mit Querverweisungen auf amerikanische Kulturen nahm dann Muhly das Orchester zurück und gibt Jan Vogler Freiraum, in einer Art Kadenz sein Können zu zeigen, um dann zu einem furiosen Abschluss des Gesamtproduktes zu kommen.

Das Publikum spendete überwiegend freundlichen Beifall. Euphorische Kundgebungen blieben begrenzt. Insgesamt mithin ein interessantes und nicht misslungenes Experiment, zu dessen Wirkung das Orchester und Cristian Macelaru mit geduldiger und kreativer Probenarbeit vermutlich beigetragen hat.

Dresdner Musikfestspiele 2019 / Konzert der "Drei Kontinente" - hier : mit Cristian Macelaru © Oliver Killing
Dresdner Musikfestspiele 2019 / Konzert der "Drei Kontinente" - hier : mit Cristian Macelaru © Oliver Killing

Dass Macelaru mit der noch jungen Partnerschaft zum WDR-Orchester gleich mit Beethovens massiver Es-Dur-Sinfonie außer Haus ging, hatte ich zunächst als problematisch angesehen. Aber der Erfolg des zweiten Konzertteils hat das Wagnis bestätigt. Wir konnten einen qualifizierten Klangkörper hören, der sich offenbar bereits in der ersten gemeinsamen Saison mit dem noch hoffentlich langjährigen Chefdirigenten bestens versteht und uns damit eine wunderbare „Sinfonia eroica“ verschaffte. Der Dirigent war allerdings mit seinen Kräften am Ende, so dass er die vom Gastorchester zu erbringende Zugabe wegließ und auch den ihm zugedachten Beifall abbrach.

Die Qualifizierung der Musiker ist für ein so am Rande des Musikbetriebs agierendes Orchester außergewöhnlich hoch und das Klangbild geschlossen, wenn vielleicht auch noch nicht ausgereift. Letzteres kann an der Vielfalt der bespielten Säle liegen. Die Musiker folgen exakt den gut akzentuierten Ansagen des Chefs. Derzeit noch zu bereitwillig, denn wenn Macelaru Lautstärke anzeigt, wird auch ordentlich draufgehauen. Hier fehlen noch Differenzierungen und Zwischentöne. Aber so etwas kann man sich in Dresden durchaus abschauen. Wir schauen zumindest interessiert, wie sich das WDR-Rundfunkorchester unter dem bisher unterschätzten Rumänen entwickeln werde.

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