Kassel, documenta 14 - Ausstellung des Übergangs, IOCO Kritik, 09.06.2017

Kassel, documenta 14 -  Ausstellung des Übergangs, IOCO Kritik, 09.06.2017

documenta 14 

documenta

dokumenta 14 Kassel / Das Parthenon der Buecher - Werdende Ikone der dokumenta 14 © Hanns Butterhof
dokumenta 14 Kassel / Das Parthenon der Buecher - Werdende Ikone der dokumenta 14 © Hanns Butterhof

Der Kunst-Hochsommer bricht an

 documenta 14 - Eine Ausstellung des Übergangs

Von Hanns Butterhof

dokumenta 14 -Kassel / Künstlerischer Leiter Adam Szymczyk © Hanns Butterhof
dokumenta 14 -Kassel / Künstlerischer Leiter Adam Szymczyk © Hanns Butterhof

Seit April 2017 ist die documenta 14 für 100 Tage bereits in Athen eröffnet, jetzt wird ihr zweiter Akt vom 10.6. bis zum 17.9.2017 auf ihrer traditionellen Bühne Kassel gespielt. Bei der Eröffnungs-Konferenz im Kasseler Kongress-Palast positionierten der Künstlerische Leiter Adam Szymczyk und einige der Kurator*innen die documenta 14 als Ausstellung des Übergangs, eine Bewegung im Dunkel des Ungewissen ohne Lehrmeister, bei der das, was der Betrachter mitbringe, ebenso wichtig sei wie das betrachtete Werk. Seine Ausführungen können auch als Orientierung für die Ausstellungs-Besucher*innen betrachtet werden.

Offensichtlichster Ausdruck des Übergangs ist zu allererst der geographische von Athen nach Kassel, den der Konzept-Künstler Ross Birell ganz konkret von vier documenta-Reitern zu Pferd vollziehen lässt. Bonaventure Soh Bejeng Ndikung sieht diesen Übergang in einer Zeit der Unsicherheit aber allumfassend, schlägt einen großen Bogen von der Krise der Nationalstaaten über die der Ökonomie zu den Gewissheiten des Wissens. Er preist die Unsicherheit als Brutstätte der Neugier und plädiert für Aufsässigkeit allerorts. Das gipfelt in der Aufforderung, sich von der eigenen Geschichte loszusagen, seinen Glauben zu verlassen, sich selbst aufzugeben und so wieder wirklich menschlich zu werden.

Paul B. Preciado bescheinigt der documenta 14, dass sie Zeugnis des Menschlich-Werdens sei; sonst würde er wie andere Transgender und Migranten noch in Vitrinen für menschliche Absonderlichkeiten ausgestellt, statt jetzt diese kolonialistischen Vitrinen zu zerschlagen. Die documenta 14 sei als das Kampf-Modell eines neuen Museums anzusehen, das sich gegen die Festlegung auf Rasse, Klasse und Geschlecht auflehnt.

Hendrik Folkerts hebt mehr die Begegnung mit sich selbst an autonom definierten Orte hervor. Deren Geschichte wäre zu erkennen und neu zu bestimmen, etwa durch die Umbenennung historisch belasteter Straßennamen, damit sie wieder lebendige Monumente werden.

Das bekräftigt Candice Hopkins dahingehend, dass der Blick sich auf die Schattengeschichten richten müsse, wozu Natasha Ginwala auf das richtige Körpergefühl verweist, jetzt im Hier auf den eigenen Füßen zu stehen.

Adam Szymczyk fasst am Schluss der Eröffnungskonferenz noch einmal das Prinzip der documenta 14 zusammen, das auch als Anleitung für die Ausstellungs-Besucher*innen genommen werden kann: Widerstand gegen eine festgelegte und festlegende Interpretation, lernen als Arbeitsprinzip und entlernen des Glaubens an das eigene Wissen, um so wieder politisches Subjekt der Bewegung in der Dunkelheit des Nichtwissens zu werden.

Es dürfte für die Besucher*innen der documenta 14 ein spannendes Unterfangen werden, den durchaus widersprüchlicher Anleitungen nicht lehrender Lehrmeister nachzukommen, die doch recht viel Wissen im Ungewissen aufbieten. Was an Geschichte darf nicht vergessen werden, was ist zu entlernen? Wird der Mensch ohne Eigenschaften wirklich der wahre Mensch? Wie schön, dass eines offenbar unmittelbar gewiss ist: die weiße, eurozentrisch–kolonialistische Maskulinität ist ein Auslaufmodell, für dessen Übergang in den Untergang der Kampf weitergeht.

Kassel / documenta 14 - Der KulturBahnhof © Hanns Butterhof
Kassel / documenta 14 - Der KulturBahnhof © Hanns Butterhof

Wer die documenta 14 besucht, wird im KulturBahnhof eine schöne Metapher für die ganze Ausstellung finden. Nachdem man sich in das Dunkel des unterirdischen Bahnhofs mit seinen Geleisen begeben hat, die nirgendwohin mehr führen, sieht man doch Licht am Ende des Tunnels.

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