Osnabrück, emma - Theater, Unterwerfung - Michel Houellebecq, IOCO Kritik, 31.03.2017

Osnabrück, emma - Theater, Unterwerfung - Michel Houellebecq, IOCO Kritik, 31.03.2017
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Theater Osnabrück

Osnabrück / Theater am Domhof © Marius Maasewerd
Osnabrück / Theater am Domhof © Marius Maasewerd

Fußkrank und ohne Feuer

Minimalistisch: Houellebecqs  Unterwerfung  im emma - Theater

Von Hanns Butterhof

Der Mann hat Ekzeme an den Füßen und kein Feuer für seine Zigaretten. Er hat den Boden unter den Füßen verloren wie auch seine Lebenslust. Da erhält er das verführerisch stabilisierende Angebot, zum Islam zu konvertieren. Michel Houellebecq hat die Konstellation in seinem Roman Unterwerfung breit durchgespielt, und Robert Teufel hat ihn in einer extrem verschlankten, auf zwei Personen reduzierten Fassung minimalistisch im emma-theater inszeniert.

emma - Theater Osnabrück / Unterwerfung - Stefan Haschke als François © Uwe Lewandowski
emma - Theater Osnabrück / Unterwerfung - Stefan Haschke als François © Uwe Lewandowski

Die wie eine Arena mitten zwischen das Publikum plazierte Spielfläche im emma-theater ist metertief abgesenkt. Sabine Mädler hat in ihr über die ganzen Länge einen rätselhaften schwarzen Kasten gebaut, auf dem die Schauspieler auf Augenhöhe mit den Zuschauern agieren.

Auf diesem Kasten finden zwei Monologe statt, die sehr, sehr lange die Grundlagen für den dramatischen Konflikt erklären, der sich erst in den letzten zehn Minuten der Aufführung herauskristallisiert.

emma - Theater Osnabrück / Unterwerfung - Rektor lockt mit Übertritt zum Islam © Uwe Lewandowski
emma - Theater Osnabrück / Unterwerfung - Rektor lockt mit Übertritt zum Islam © Uwe Lewandowski

Im ersten Monolog hält der smarte, zum Islam konvertierte Universitätsrektor Robert Rediger (Oliver Meskendahl), adrett frisiert und im schicken Anzug mit Orient-Touch, recht plausibel ein Plädoyer dafür, dass der geordnete Kosmos nur von einem überlegenen Geist geschaffen sein kann, dessen ewige Regeln auch für den Menschen ewige Gültigkeit haben.

Den zweiten, ausufernden Monolog hält der mit Vierzig frühpensionierte Professor Francois (Stefan Haschke). Der so beziehungsunfähige wie -unwillige Hedonist ist ziemlich heruntergekommen. Unrasiert, in Unterhemd und Schlabberhose klagt er zu reichlich Wein darüber, dass er beim Sex und am Leben überhaupt keine Lust mehr verspürt, dass er keine Freunde hat und seine egoistischen Eltern den Kontakt zu ihm meiden.

Stefan Haschke hat große Mühe, der schablonenhaften Figur des Francois Leben einzuhauchen. Aber selbst mit den minimalen Bühnenhandlungen wie Wein trinken, aus der Dose essen und vergeblich nach Feuer für die Zigaretten suchen zeichnet er fesselnd das Bild eines entwurzelten, perspektivlosen Intellektuellen, dem durch die totale Aufklärung der Lebenssinn abhanden gekommen ist.

Erst als das alles nach eineinhalb Stunden doch mehr erzählt als erspielt ist, wird der dramatische Konflikt deutlich. Bei dieser verzweifelt inneren Leere ist das Angebot des Rektors verführerisch, ihn wieder als Professor einzustellen - wenn er zum Islam konvertiert und sich dessen Regeln unterwirft.

emma - Theater Osnabrück / Unterwerfung - von Michel Houellebecq © Uwe Lewandowski
emma - Theater Osnabrück / Unterwerfung - von Michel Houellebecq © Uwe Lewandowski

Die Aktualität von „Unterwerfung“ besteht nicht in der politischen Gefahr von aufkommendem salafistischem Terrorismus oder gar der oft beschworenen Übernahme der Macht durch eine muslimische Majorität. Sie besteht darin, die sich selbst zerstörende Aufklärung an Francois zu zeigen. Und wenn wir, das Publikum, Francois sind, wie würde unsere Entscheidung ausgehen jenseits der eher für Männer anziehenden Aussicht auf willige, unterwürfige Frauen, die Francois am Ende etwas unter Niveau und doch typisch bewegt? Mit welchen Gründen wären „unsere westlichen Werte“ und die Lebenswelt, zu der sie global geführt haben, noch zu verteidigen? Die Frage recht deutlich zu stellen ist das Verdienst dieser weltlosen und sehr wortlastigen „Unterwerfung“.

Unterwerfung von Michel Houellebecq im emma - Theater  Osnabrück: Nächste Termine: 9.4., 26.4., 28.4.2017 jeweils 19.30 Uhr

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