Plauen, Vogtlandtheater Plauen, Ritter Blaubart von Jacques Offenbach, IOCO Kritik, 15.03.2016

Plauen, Vogtlandtheater Plauen, Ritter Blaubart von Jacques Offenbach, IOCO Kritik, 15.03.2016
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Theater Plauen Zwickau

Theater Plauen-Zwickau © Theaterfotograf Peter Awtukowitsch
Theater Plauen-Zwickau © Theaterfotograf Peter Awtukowitsch

Blaubärtiger Ritter auf doppeltem Boden

Der Dauererfolg (30 Jahre!) der Komischen Oper Berlin und zuletzt Ende 1994 auf der Bühne in Plauen: Jaques Offenbachs Ritter Blaubart  forderte am Samstag 12.03.2016 im Vogtlandtheater seine weiblichen Opfer. Mit Witz, Ironie und großartigem Ensemble zeigte Jürgen Pöckel eine mitreißende Fassung der Operette und freute sich über stehende Ovationen.

 Plauen / Vogtlandtheater Ritter Blaubart © Peter Awtukowitsch
Plauen / Vogtlandtheater Ritter Blaubart © Peter Awtukowitsch

Plauen: Doppelter Boden, wohin das Auge blickt. Eine Bühne auf der Bühne, Figuren, die auch als Puppen agieren, Tote zuhauf, die nie wirklich gestorben sind und ein im Duell Gefallener, der sich als scheintot erweist. Die Aufzählung der teils absurden Doppelbödigkeiten ließe sich fortsetzen. So bestimmen Ironie und Parodie die Handlung und setzen sich fort im Musikalischen, dem zuzuhören eine Freude war. Mit Ritter Blaubart gelingt Opern-direktor Jürgen Pöckel  eine Inszenierung, über die wir uns in Plauen sehr freuen und deren Qualität überregionalen Maßstäben standhält. Das schlüssige Konzept wurde kongenial umgesetzt von Bühnen- und Kostümbildnerin Andrea Hölzl. Mit (nur) einem Bühnenbild, das, wie gesagt, eine Bühne auf der Bühne präsentiert und mit knappen Mitteln einprägsame ästhetische Lösungen bietet. Großes Lob für die Kostüme. Stilsicher und nicht ohne Witz die zahlreichen Uniformen, aufwendigen Frisuren und skurrilen Kopfbedeckungen. Gleich zu Anfang wird der heiter-satirische Grundton angeschlagen und selbstironisch in Szene gesetzt: die spätere Königin startet als Putzfrau.

Jaques Offenbachs Opéra bouffe nach einem Märchen von Charles Perrault entstand in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts in Frankreich. Ihre sarkastischen Untertöne, die mit beißender Zeitkritik und politisch unkorrekt den Mächtigen am Leder flicken, wirken bis heute. Behutsame Aktualisierung, fast ein wenig zu zurückhaltend, tat ein Übriges. In einer großen Szene sehen wir devotes Verhalten serviler Höflinge, die dem Stuhl („Regie“!) eines nichtvorhandenen Herrschers kratzfüßig die Reverenz erweisen. Es erinnert an Gebaren aus den frühen Fünfzigern, als in hiesigen Versammlungen dem im fernen Moskau herrschenden Genossen Stalin stets ein Platz freigehalten wurde. Doch selbst heute soll Buckeln nach oben, meist in Kombination mit Tritt nach unten, der Karriere dienlich und nicht aus dem Repertoire des Erfolgsmenschen gekommen sein. An Chaplins „Großen Diktator“ erinnern die Allmachtsfantasien König Bobèches bei herabschwebendem Universum, wobei wohltuend auf ein Jonglieren mit einer Erdkugel verzichtet wird.

Plauen / Vogtlandtheater Ritter Blaubart © Peter Awtukowitsch
Plauen / Vogtlandtheater Ritter Blaubart © Peter Awtukowitsch

So erfährt der Zuschauer ein Panorama unterschiedlichster Welten. Er sieht ein bukolisches Schäferstück, nimmt Teil an der eher komischen Wahl einer Rosenjungfrau auf dörflichem Anger, blickt in die wallende Knochenwerkstatt eines Alchimisten und wird mitgenommen auf die Königsebene mit ihren Fallstricken und kuriosen Anspielungen. Dazu Offenbachs Musik: frisch, elegant, locker und heiter, stets der Handlung verpflichtet und auch das Pathos nicht scheuend. Dies verbindet der Meister mit beispielhaft theatralischer Wirkung. Rhythmisch ist Offenbach unerreicht. Wir erleben das Philharmonische Orchester, geleitet von Thomas Peuschel, auf der Höhe seiner Aufgabe. Da gibt es nichts auszusetzen.

Paris / Grabmal Jacques Offenbach © IOCO
Paris / Grabmal Jacques Offenbach © IOCO

Auch auf das Musikensemble können wir stolz sein. Wen zuerst nennen? Und kurz und treffend soll es auch sein ... Vergeben wir die Krone an Jason Kim (Blaubart) und Johanna Brault (Boulotte). Ihr schien die Rolle auf den Leib geschrieben. Er, dessen Auftrittsarie wir schon einige Male hörten, zeigt zur Premiere, dass er mit Kraft und Leidenschaft und nicht ohne ironische Geste zu singen vermag. Shin Taniguchi (König) gab nicht nur stimmlich der Rolle die staatsmännische „Größe“, von deren Hohlheit wir wussten. Judith Schubert als Königin: teils schelmisch, immer liebenswert und mit schönem Gesang. Julia Ebert als Fleurette, später Hermina, und John Pumphrey als Daphnis und dann Prinz Saphir, beide überzeugen. Dies galt auch für die Helfershelfer der mörderischen Ambitionen ihrer Herren, für Karsten Schröter als Alchimist und Hinrich Horn als Graf Oscar. Sie dienen dem Stück und erfreuen mit ihren Stimmen. Die Damen und Herren des Opernchores (Einstudierung Friedemann Schulz) werden im Stück stark gefordert, gesanglich und choreografisch. Es ist eine Freude, ihnen zuzusehen und sie zu hören. Genannt werden soll Niklas Rennwanz (ein Kind), der seine Sache gut macht und viel Beifall bekommt.

So bleibt die märchenhaft-blutrünstige Geschichte eines – aus Gründen der Moral! – frauenverschlingenden Ritters und seines Königs, der den vielfachen Mord an scheinbaren Nebenbuhlern nicht scheut. Am Ende ist eine glückliche, operettenhafte Auferstehung nebst mehrfacher Heirat dem Genre geschuldet. Jürgen Pöckels Ritter Blaubart in Plauen ist sehenswert, kurzweilig und musikalisch grandios. Im Übrigen wusste schon Peter Hacks Offenbach zu schätzen. Ernannte ihn schlicht: ein Genie.

Lutz Behrens / 13.03.2016

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