Köln, Oper Köln, Falstaff von Giuseppe Verdi, IOCO Kritik, 22.11.2016

Köln, Oper Köln, Falstaff von Giuseppe Verdi, IOCO Kritik, 22.11.2016
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Oper Köln

Koeln / StaatenHaus Oper Koeln © Petra Moehle
Köln / StaatenHaus Oper Köln © Petra Moehle

Umfassendes Einverständnis mit dem Leben

 Giuseppe Verdis letzte Oper Falstaff begeisternd gelungen

Von Hanns Butterhof

Unter den schwierigen Bedingungen des Opernhaus-Ausweichquartiers im Deutzer Staatenhaus ist dem bewährten Duo Dietrich W. Hilsdorf und Will Humburg ein „Falstaff“ der Extraklasse gelungen. Verdis humorvolle, beredte Musik fließt unter Humburgs Dirigat durch das von Hilsdorf punktgenau geführte Ensemble so wunderbar beseelt, dass alle Figuren in Verdis humanem Geist umfassenden Einverständnisses mit dem Leben aufgehoben sind.

Oper Köln / Falstaff und Ensemble © Paul Leclaire
Oper Köln / Falstaff und Ensemble © Paul Leclaire

Die zeitlich nicht genau verortete, sehr zurückhaltend ohne allen Klamauk auskommende Inszenierung Hilsdorfs vermeidet umfassend klare Grenzen. Der Chor tritt aus den Publikumsrängen auf, und Falstaff leiht sich seinen Ausgehfrack von einem Musiker aus dem Orchester, das sichtbar neben der Bühne plaziert ist. Dieter Richter hat sie als erhöhtes, mit der Spitze deutlich auf das Publikum zeigendes Dreieck gebaut. Ihr immer offener vorderer Teil, der mit Tisch und Stühlen das Wirtshaus Falstaffs darstellt, ist nur durch einen Vorhang vom dahinter liegenden Salon der reichen Fords getrennt, und geht sogar, bei weggezogenem Vorhang und veränderter Beleuchtung (Licht: Andreas Grüter), direkt in den Salon über.

Oper Köln / Falstaff umwirbt Alice Ford © Paul Leclaire
Oper Köln / Falstaff umwirbt Alice Ford © Paul Leclaire

Hilsdorfs Regie zeigt, auch mit den Kostüm-Hinweisen Renate Schmitzers, dass selbst die Grenzen zwischen den Figuren relativ sind und „Falstaff“ - bei aller Zentrierung auf die gescheiterten Werbungen des Titelhelden und die Straf-Intrige der Frauen - ein ganzes Bild des Lebens ist: Der feiste Falstaff (Lucio Gallo) in seinem speckig abgetragenen, löchrigen Frack ist eine Figur schon des Niedergangs und des chancenlos männlichen Begehrens. Sein Gegenspieler, der vollschlanke Ford (Nicholas Pallesen) im eleganten Frack, hat Falstaffs Lage noch vor sich. Er ist aber auch schon in seiner Männlichkeit verunsichert und eifersüchtig. An diesen Zustand denkt der junge, in Fords Tochter Nannetta verliebte Fenton (Liparit Avetisyan), dessen Frack an keiner Stelle spannt, noch nicht einmal im Traum.

Einen ebensolchen Lebensbogen schlägt die Oper auch bei den Frauen, von der jungen, verliebten Nannetta (Maria Kublashvili) über die reife, dem Träumen von einem anderen Leben nicht abgeneigte Alice Ford (Natalie Karl) bis hin zur älteren Mrs. Quickly (Dalia Schaechter), die ihr eigenes, noch deutlich glimmendes Begehren schon auf Kupplerdienste für ihre Freundinnen und alkoholische Getränke reduziert hat.

Auch wenn die Figuren nur verschiedene Abschnitte im Leben symbolisieren, sind sie immer passgenau zur Musik individuell gezeichnet, selbst in den Nebenrollen scheinen kurz kleine Dramen auf. Dr. Cajus (Martin Koch) liebt hoffnungslos Nannetta, und die schöne Meg Page (Adriana Bastidas Gamboa), deren Gatte nie anwesend ist, verbirgt hinter der Sonnenbrille wohl die darüber verweinten Augen.

Das Ensemble singt und spielt durchwegs mitreißend. Lucio Gallo besticht mit vitalem, ausdrucksstarkem Bariton als gewissenloser, egozentrischer Adliger, der nach zwei gescheiterten Verführungsversuchen und einem mitternächtlichen Fegefeuer lächelnd akzeptiert, dass er alt und trotz seines Adels für die Frauen unattraktiv geworden ist. Nicholas Pallesen überzeugt mit seinem helleren Bariton und der Verve, mit der er in eifersüchtiger Wut Geschirr zerschmettert. Aber zu Herzen geht Liparit Avetisyan, der mit lyrisch weichem Tenor die einzig wahre Arie hat.

Oper Köln / Falstaff und Mrs Quickly © Paul Leclaire
Oper Köln / Falstaff und Mrs Quickly © Paul Leclaire

Ebenso nehmen Maria Kublashvili, die mit silberhellem, klarem Sopran verzaubert, wie Natalie Karl mit reiferem, sehr kultiviertem Sopran und Dalia Schaechter mit ihrem angedunkelten Mezzo für sich ein; ihr intrigantes Secco-Quartett ist hinreißend.

Es ist ein bisschen traurig, das Schicksal von Nannettas und Fentons Gefühligkeit in den Lebensphasen der anderen vorweggenommen zu sehen. Und es ist das Wunder von Verdis „Falstaff“, dass er mit diesem Schicksal versöhnt und zwanglos zum umfassenden Einverständnis mit dem ganzen Leben führt.

Deutlich wird das Ensemble wie auch der von Andrew Ollivant einstudierte prächtige Chor und das differenziert aufspielende Gürzenich-Orchester von dem engagierten Dirigat Will Humburgs enthusiasmiert. Er lässt Verdis oft in zartesten Linien verschlungene Melodik bewundernswert klar fließen, macht ihren Humor mit den Finessen der Instrumentalcharakteristik hörbar und verströmt vornehmlich in den ersten beiden Akten ausgeprägte Heiterkeit. Ihm und Hilsdorf gelingt es auf das glücklichste, den musikalischen Geist des „Falstaff“ mit den theatralischen Forderungen auch unter den erschwerten Bedingungen in Einklang zu bringen.

Wir sahen am 16.11.2016 die letzte Falstaff - Vorstellung. Wie bedauerlich, dass für diese beglückende Aufführung nur sechs Vorstellungen eingeplant waren.

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