Münster, Theater Münster, Premiere Der Stellvertreter von Rolf Hochhuth, IOCO Kritik, 18.03.2016

Münster, Theater Münster, Premiere Der Stellvertreter von Rolf Hochhuth, IOCO Kritik, 18.03.2016
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Theater Münster

Theater Münster © Rüdiger Wölk
Theater Münster © Rüdiger Wölk

Der Stellvertreter - Zeit für Verantwortung

von Hanns Butterhof

Rolf Hochhuths Christliches Trauerspiel Der Stellvertreter von 1963 gilt als in den Archiven abgelegtes Vergangenheits-Bewältigungs-Drama. Jetzt zeigt eine Inszenierung von Kathrin Mädler am Kleinen Haus des Theater Münster seine brennende Aktualität.

Münster / Theater Muenster Der Stellvertreter © Oliver Berg
Münster / Theater Muenster Der Stellvertreter © Oliver Berg

Auf der schmucklosen Einheitsbühne Frank Alberts führt eine Treppe mit hohen Stufen links vor einer Wand herunter, als könnte von dort oben eine höhere Macht zu den Menschen herniedersteigen. In den altarähnlichen Block davor ist ein Wasserbecken eingelassen, in dem man seine Hände in Unschuld waschen kann. Bei dem in Berlin und Rom 1942 bis 1944 spielenden Stück konzentriert sich Kathrin Mädler auf das Drama des jungen Jesuitenpaters Riccardo Fontana (Daniel Rothaug). Der versucht, den Papst zu einem Protest gegen die Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden durch das III. Reich zu veranlassen. Als ihm das nicht gelingt, geht er, den Davidstern auf der Brust, freiwillig ins Lager Auschwitz, wo er mit Jauche übergossen, gedemütigt und schließlich ermordet wird. Die Entwicklung des idealistischen Geistlichen vom Protégé des Papstes, auf dessen christliche Verantwortung er anfangs ungebrochen vertraut, bis zur Verzweiflung an der Kirche und ihrem Schweigen spielt Daniel Rothaug intensiv bis zur Selbstentblößung.

Einen anderen Weg als der Pater geht der innerlich zerrissene Kurt Gerstein (Aurel Bereuter). Er ist Mitglied der „Bekennenden Kirche“ und als SS-Obersturmführer dafür zuständig, Zyklon B für die KZs zu beschaffen. Er versucht, das Regime von innen zu sabotieren, indem er dessen Verbrechen verrät. Doch die sind schon bekannt, sein Zeugnis bleibt folgenlos.

Den absoluten Gegenpol zu den beiden aus Christlichem Geist Handelnden bildet der Doktor ohne Namen (Christoph Rinke). Der elegante Zyniker hat mit dem Glauben an Gott auch den an verbindliche Werte und wahre Gefühle verloren. Seine ungeheuerlichen Verbrechen und sein teuflisches Spiel mit dem Glauben, Leid und Leben des Priesters verübt er auch um zu zeigen, dass kein Gott existiert, der strafend dagegen einschreitet. In der Darstellung des Klerus’ als devot und feige, der Nazis als brutale Totschläger und Karrieristen drängt die Aufführung zur Identifikation mit dem konsequent christlichen Pater. Beim Mitleiden mit Riccardo Fontana geht die Erfahrung tief unter die Haut, dass wir in einer Zeit leben, in der einem die Verantwortung, gegen die Verletzung von Menschenrechten Stellung zu beziehen, nicht einmal ein Papst stellvertretend abnehmen kann. Nach intensiven hundert Minuten belohnt langer Applaus das großartige Ensemble, das Regieteam und den anwesenden Autor Rolf Hochhuth.   Hanns Butterhof / 5.03.2016

Weitere Vorstellungen von Der Stellvertreter im Theater Münster: 18.3., 8., 9. und 16.4., 5., 12. und 31.5. jeweils 19.30 Uhr.

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