Düsseldorf, Tonhalle, Kult: Ehring geht ins Konzert, IOCO Kritik, 11.01.2015

Düsseldorf, Tonhalle, Kult: Ehring geht ins Konzert, IOCO Kritik, 11.01.2015

Tonhalle Düsseldorf

Tonhalle Düsseldorf © Diesner
Tonhalle Düsseldorf © Diesner

Große Klassik: Serviert in sonntäglicher Leichtigkeit

Tonhalle Düsseldorf / Christian-Ehring moderiert in Tonhalle © Susanne Diesner
Tonhalle Düsseldorf / Christian-Ehring moderiert in Tonhalle © Susanne Diesner

Ausverkauft, Sonntag-nachmittag: Die Tonhalle Düsseldorf, das mit über 1.800 Plätzen architektonisch so ansprechende wie große Konzerthaus in Düsseldorf. Michael Becker, Tonhallen-Intendant,   mit ungewöhnlichen Kinder- und Jugendprogrammen ohnehin sehr erfolgreich hatte 2011 mit dem klassisch ausgebildeten Kabarettisten Christian Ehring (1972) die Konzertreihe Ehring geht ins Konzert ins Leben gerufen (Ehring:Konzerte haben etwas komisch Sakrales, das war mir zu steif"), um mit entkrampft humoriger Moderation den Klassik-Entwöhnten einen individuellen Zugang zu großen Werken der Klassik zu bieten. Christian Ehring 2011: „Etwas mehr Oper würde unserem Leben gut tun“! Inzwischen füllt Ehring geht ins Konzert die Tonhalle Düsseldorf bis auf den letzten Platz. Viele hatten vergeblich auf Karten gehofft.

Tonhalle Düsseldorf / Düsseldorfer Symphoniker mit Martin Fratz und Franziska Früh © Susanne Diesner
Tonhalle Düsseldorf / Düsseldorfer Symphoniker mit Martin Fratz und Franziska Früh © Susanne Diesner

Fünf Themen, 5 Werke bestimmten das Konzert am 11. Januar 2015: Mozart und seine Hornkonzerte, Bach und die Instrumentierung seiner Kompositionen, Bartok und die Volksmusik, die Harfe und Claude Debussy sowie Camille Saint-Saens und seine Vielseitigkeit. Christian Ehring, Düsseldorfer, moderierte. Martin Fratz dirigierte die Düsseldorfer Symphoniker, intim Düsys genannt.. Alle Solisten des Tages kamen aus den Reihen der Düsys. Ein wahres Heimspiel, verkündete Ehring in Fußballerjargon: "Die Besucher sind die Fans der Südtribüne".

Tonhalle Düsseldorf / Uwe Schrumpf erklaert das Horn © Susanne Diesner
Tonhalle Düsseldorf / Uwe Schrumpf erklaert das Horn © Susanne Diesner

Nach launiger Eröffnung mit mehr Fußballreferenzen und „gemeinsamem Husten“ lernte man zu Mozarts vier Hornkonzerten Allgemeines von Christian Ehring wie Spezielles von Hornist Uwe Schrumpf, z.B. dass sich Mozart als freischaffender Künstler in seinen frühen Wiener Jahren mit solchen Konzerten den Lebensunterhalt verdiente. Ehring: „Festanstellung, als Plattenvertrag des Künstlers, oder Schutz geistigen Eigentums waren damals unbekannt“. Vier Hornkonzerte hatte Mozart für seinen Freund, den Hornisten Ignaz Leitgeb, zwischen 1771 und 1781 geschrieben; alle melodisch am Ausdruck der menschlichen Stimme angelehnt. So findet sich im Hornkonzert des Abends, Es-Dur KV 417, eine Melodie, die als Arie in der Die Hochzeit des Figaro wieder erscheint. Uwe Schrumpf brachte mit kleinen Soli das Horn, ältestes, aus dem Orient stammendes, Instrument der Menschheit der Südtribüne näher. Schrumpf erzählte von den Grundtönen der Naturhörner, von Ventilhorn, Stopftechnik und von den im dritten Satz versteckten kompositorische Finessen.

Und Christian Ehring bewahrte derweil mit derben, trötenden Ausflügen wie zur „immer dazwischen hupenden CSU, Maut und Dobrindt“ die entspannte Sonntagsstimmung im Publikum. Martin Fratz, die Düsseldorfer Symphoniker und Uwe Schrumpf überzeugten mit dem ersten Takt des Hornkonzertes: War es ihr sanft geführtes, einleitendes Allegro maestoso, waren es die erhabenen Piani im zweiten Satz, das volksmusikalische Rondo in dritten Satz oder die prächtig gelungenen Horn-Soli? Das Publikum war begeistert. Doch der Sonntag hielt noch weitere Überraschungen parat.

Tonhalle Düsseldorf / Ehring und die Südtribüne © Susanne Diesner
Tonhalle Düsseldorf / Ehring und die Südtribüne © Susanne Diesner

Das oft gespielte Konzert für Flöte und Orchester a-Moll BWV 1056 von Johann Sebastian Bach eröffnete Christian Ehring mit der spannenden Frage: „Für welches Solo-Instrument wurde dies Konzert ursprünglich geschrieben? Hat es Bach ursprünglich für Cembalo, Oboe oder Violine geschrieben?“ Man weiß es nicht. Bach hatte in jedem Jahr bis zu 60 Kantaten, zahllose Auftragswerke, Fugen und Messen zu komponieren. Nur mittels „Transkribieren“ war dies Pensum zu bewältigen. In der Tonhalle, so Ehring: „Hören Sie nun ein Flötenkonzert, welches zuvor vielleicht ein Cembalokonzert war und davor ein Oboenkonzert“. Martin Fratz spielte am Cembalo und leitete die virtuose Flötistin Ruth Legelli wie die Düsseldorfer Symphoniker mit barocker Zartheit.

Tonhalle Düsseldorf / Fabiani Trani Harfe © Susanne Diesner
Tonhalle Düsseldorf / Fabiani Trani Harfe © Susanne Diesner

Bela Bartoks systematische Suche und Erfassung originärer, unlackierter Volksmusik beschäftigten sodann Ehring, Düsys und Südtribüne. Bartoks Obsession, aus Volksmusik eigene Kompositionen zu schaffen verdeutlichten Ehring und Düsys an dessen Rumänischen Volkstänzen Sz56. Um sich danach der Harfe zuzuwenden: Claude Debussy und sein Konzert Zwei Tänze für Harfe und Streicher hatte man hierfür ausgewählt. „Die Harfe“, so Ehring, „ein Instrument, welches in Deutschland keine Frauenquote benötigt“, und unterstrich, dass „90% der Harfenisten hier Harfenistinnen sind“. Doch Fabiana Trani, seit 1985 Harfenistin bei den Düsys, überraschte mit der Feststellung, dass weibliche Dominanz an der Harfe ein deutsches Spezifikum sei: In England dominieren Männer an der Harfe, in Frankreich sei das Verhältnis ausgeglichen. Auch die Entwicklung der Harfe, dem ältesten Zupfinstrument der Welt, erklärte Frau Trani den Besuchern:

Von der früher üblichen, in Halbtonschritten gestimmten, chromatischen Harfe bis zur Doppelpedalharfe, bei der bis zu sieben Pedale die Halbtöne erzeugen. Und, dass zur Zeit Debussys ein Kampf unter Harfenexperten um „die richte Harfentechnik“ tobte. Eine auf chromatische Harfen spezialisierte Firma beauftragte Claude Debussy 1904, seine Zwei Tänze für Harfe und Streicher zu komponieren. Düsys und Fabiana Trani auf der Doppelpedalharfe gaben Anfang 2015 dem Stück im ersten „heiligen Tanz“ weihevollen Glanz und Linie, wie dem folgenden „profanen“ Tanz die derbe, kullernde Expressivität.

Tonhalle Düsseldorf / Violinistin Franziska Früh © Susanne Diesner
Tonhalle Düsseldorf / Violinistin Franziska Früh © Susanne Diesner

Camille Saint-Saens und sein Introduction et Rondo capriccioso a-moll op. 28 schlossen das Event Ehring geht ins Konzert: Saint-Saens, zumeist durch seine auffällig deskriptive Komposition Karneval der Tiere und seine Oper Samson et Delila bekannt, war vielseitig interessiert. Philosophische Schriften beschäftigten ihn ebenso wie Pompejanische Fresken. Sein Werk hat Saint-Saens für den jungen, populären Violinisten Pablo de Sarasate geschrieben. „Eine Beziehung“, so Ehring die Moderation des Konzertes beschließend, „über die man spekulieren kann. Muss man aber nicht“.  Düsys   und Violinistin Franziska Früh zeigen große Affinität zu Saint-Saens: Romantik, Schwärmerei und Phantasie bringen sie unter Martin Fratz erneut virtuos zum Ausdruck.

Ehring geht ins Konzert: Reizvoller Stimmungsaufheller für dunkle Wintertage, ungestresster Einstieg in die Droge Klassik, was ich schon immer über KLassik wissen wollte. 1800 Klassik-Einsteiger-Genießer-Heimkehrer der überverkauften Tonhalle bejubelten Christian Ehring, die Düsseldorfer Symphoniker, Solisten und Dirigent Martin Fratz.  

IOCO / Viktor Jarosch / 13.01.2015

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