Sydney, Sydney Opera House, Die Muscheloper, La Bohème und der Jahreswechsel, IOCO Aktuell, 03.01.2014

Sydney, Sydney Opera House, Die Muscheloper, La Bohème und der Jahreswechsel, IOCO Aktuell, 03.01.2014
Bericht
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www.opera-australia.org.auDas SYDNEY OPERA HOUSE und  der Jahreswechsel
Sydney Opera House und Harbour Bridge © IOCO
Sydney Opera House und die Sydney Harbour Bridge im Hintergrund © IOCO

Jeder Jahreswechsel beginnt in Europa bereits nachmittags. Mitreissende Bilder der sich von der Sydney Harbour Bridge ins Wasser ergiessenden Feuerströme zeigen den spätgeborenen Europäern, dass das neue Jahr bereits begonnen hat. Im Osten. 2,5 Milliarden Menschen schlafen dort bereits, wenn in Europa das neue Jahr begrüsst wird. Zum Jahreswechsel 2013/14 wurde im spektakuläresten Opernhaus der Welt, dem Sydney Opera House, die Oper La Bohème von Giacomo Puccini gespielt. Der Inszenierungs-Set dieser Oper: Berlin 1934, die "roaring thirties". Die Bühne fest in asiatischer Hand: der Chinese Ji-Min Park sang als Rodolfo Che gelida manina, wie eiskalt ist den Händchen, die junge Australierin Nicole Car, 2007 ausgezeichnet mit dem  Symphony Australia Young Vocalist - Preis,  die Mimi, die Australierin Sharon Prero spielte die Musetta.

Sydney Harbour Bridge and City Skyline vom Wasser gesehen © IOCO
Sydney Harbour Bridge and City Skyline vom Wasser gesehen © IOCO

Das Opernhaus von Sydney, Meisterstück moderner Architektur, 1973 eingeweiht, ist eines der drei großen Wahrzeichen Australiens. Neben der über 100 Jahre alten Harbour Bridge und dem Legenden-umwobenen Ayers Rock in der Mitte des Kontinents.  Das Sydney Opera House beherbergt mehrere kulturelle Einrichtungen: Die Concert Hall mit 2700 Sitzen und das Opera Theatre mit 1547 Sitzplätzen. Das Sydney Opera House, obwohl erst 1973 erbaut, wurde bereits 2007 zum Weltkulturerbe erklärt wurde.

Der Bau des Sydney Opera House war, wie zahllose große Bauwerke, zunächst ein Desaster: Ursprünglich mit 7 Millionen Au$ veranschlagt, überstiegen die Baukosten am Ende über 100 Millionen AU$. Die Bauzeit erstreckte sich wegen bautechnischer Streitigkeiten über sieben Jahre. Äußerlich mit verzaubernder Optik lebt die Oper im Innern mit erheblichen Einschränkungen: Der Bühnenraum besitzt keine Tiefe, Bühnenbilder müssen flach sein, deren Anlieferung ist schwierig. Das Ensemble agiert häufig gefährlich nah am Orchestergraben. Der Orchestergraben wiederum verschwindet zur Hälfte unter den Bühnenboden, welches dem Orchesterklang ein wenig Brillianz raubt. Doch der verzaubernde Flair der Sydney Opera verzeiht alle baulichen Mängel. Für Europäer wird ein Besuch der Sydney Opera zu einem lebendigen Traum.

Sydney Opera House vom Wasser gesehen © IOCO
Sydney Opera House vom Wasser gesehen © IOCO

Das Sydney Opera House wird Stagione-Spielbetrieb geführt. La Bohème wird bis zum 21. Januar noch sechs mal aufgeführt und dann abgesetzt. Parallel zur La Bohème wird am Sydney Opera House im Januar 2014 nur die Zauberflöte (Magic Flute) aufgeführt, diese allerdings 25 Mal bis zum 23. März. Das nächste Opernhaus in Brisbane oder Melbourne ist über 1.000 Kilometer entfernt. Hartes Brot für den europäischen Operabuff. Den in Deutschland üblichen Repertoirebetrieb können sich die Theater Australiens nicht leisten: zu teuer.

IOCO besuchte im Sydney Opera House eine in Sydney kultig geliebte, aus 1995 stammende Elijah Moshinsky - Inszenierung des Barbier von Sevilla von Gioacchino Rossini.

Opera Australia’s ‘The Barber of Seville’ SS11 © Branco Gaica 2.2.2011
Opera Australia’s ‘The Barber of Seville’ SS11 © Branco Gaica 2.2.2011
Opera Australia’s ‘The Barber of Seville’ SS11 © Branco Gaica 2.2.2011
Opera Australia’s ‘The Barber of Seville’ SS11 © Branco Gaica 2.2.2011
Opera Australia’s ‘The Barber of Seville’ SS11 © Branco Gaica 2.2.2011
Opera Australia’s ‘The Barber of Seville’ SS11 © Branco Gaica 2.2.2011

Moshinsky lehnt sich darin Rossini-gerecht mit breitem Humor an die Slapstick-Komödien der Stummfilmzeit um Buster Keaton und die Keystone Kops an.  Slapstick, nicht Clownerien und die Mode der verrückten 20er Jahre dominieren diese Barbier Inszernierung. Aktionsgeladene, trocken-komische Personenführung schaffen genregerechte Stimmung. Dazu Blazer, Strohhüte, weiß bemalte Gesichter und Schnurrbärte. Nah am  Orchestergraben dominieren breit gezogene Bühnenbilder. Das erste Bild: Auf Tuch gemalt, eine alte, spanische Häuserzeile in Miniatur und pastellfarbenen Tönen. Mittig der Häuserzeile, das Miniatur-Haus von Dr. Bartolo, aus dessen kleiner Türe gelegentlich eine Miniatur-Rosina auf einem elektrisch getriebenem Einrad davonfährt. Haupt-Kulisse der Inszenierung ist das Innere des Hauses von Dr. Bartolo: Die Zimmer über 2 Etagen und die ganze Bühnebreite füllend: Farbig, klassisch: Eingangshalle, mehrere Wohnräume und die Arztpraxis. Während die Handlung um Figaro, Rosina und Graf Almaviva  sich wechselnd in verschiedenen  Wohnräumen vollzieht, finden in der benachbarten  "Arztpraxis" des Dr. Bartolo abstruse, Lachmuskel-strapazierende  Operationen statt. Die grotesk-komischen "Behandlungen" fordern die Lachmuskeln des Besuchers bis an die Grenzen. Den Hauptprotagonisten der Oper dennoch aufmerksam zu folgen, erforderte einen liebenswerten Spagat.

Dieser Barber of Seville prickelt. Stimmlich und in der Personenführung: Das Ensemble, zumeist aus Australien und Neuseeland stammend, war ausgeglichen und in allen Partien  gut bis herausragend besetzt. Das Stagione-System und 15 vorangegangene Vorstellungen mit ihren zahlreichen Regie-Facetten führten bei dieser Barber of Seville-Vorstellung  zu einer schauspielerisch harmonischen Ensemble. Man bewegt sich filigran, grapschte manchmal deftig. Doch immer wieder entschwebte das Ensemble vom Schauspiel zu wunderschönen Gesang. Allen voran dominierte von Anbeginn der weltweit präsente Argentinier José Carbó als Figaro mit  timbrierter und in allen Lagen gut geführter Stimme. (Hier José Carbó mit Largo al Factotum als Figaro aus den Teatro Real, Madrid.) John Longmuir gab dem jugendlich verunsicherten Bonvivant Graf Alamaviva mit weich-lyrischem Tenor ein passendes Gesicht. Sehr präsent das Mündel Rosina mit Dominica Matthews, welche ihren schönen Mezzospopran mit gefestigter Mittellage und Höhe wie darstellerischer Intensität voll ausfüllte. Auch die Bass-Baritonpartien waren mit Andrew Moran als dicklich, dappigem aber stimmlich sicheren  Dr. Bartolo und Jud Arthur als hagerem Musiklehrer Don Basilio mit breiter schwarzer Tonlage stimmlich und schauspielerisch hervorragend besetzt. Die Regie-Einfällen gespickte  Partie von Alamaviva´s Diener Fiorello/Ambrogio wurde mit  Christopher Hillier zu einem Glanzstück.

Paris, Pere Lachaise, Grab von Gioacchino Rossini © IOCO
Paris, Pere Lachaise, Grab von Gioacchino Rossini © IOCO

Das Australian Opera and Ballett Orchestra und Dirigent Anthony Legge haben in Sydney keinen leichten Stand: Das leicht abgedeckt sitzende Orchester besitzt zweifelsohne gutes Klangniveau. Es wurde leicht und elegant musiziert. Schattierungen jedoch, Finessen, scharfe Konturen, sicherlich nur relevant für den kleinsten Teil der Besucher, kamen etwas kurz. Der engagierten Spielfreude des Orchesters jedoch sollte dieser eher baulich begründete Mangel keinen Abbruch  tun.

So feierte das Publikum auch diese Aufführung laut und lebhaft.  Das Publikum von  Sydney, weit entfernt vom Ort der Uraufführung, zollte einem humorig menschlich inszenierten Barbier von Sevilla seine Bewunderung.   "Machen Sie mehr Barbiere"  sagte 1822 Beethoven voller Respekt zu Rossini, "diese Oper wird leben solange es italienische Opern gibt". Beethoven der Perfektionist, kein ausgewiesener Kenner leichterer Muse, bewies perfektes Gespür: Der Barbier von Sevilla ist höchst lebendig. Auch im Sydney Opera House.

Abschluß mit Höhepunkt: José Carbó mit Lawrence Brawnlee im Duett Al idea di quel metallo  aus dem Barbier von Sevilla.

IOCO / Viktor Jarosch /Januar 2014