Hamburg, Brenda Roberts - Rollenimpressionen, IOCO Portrait, 17.01.2018

Hamburg, Brenda Roberts - Rollenimpressionen, IOCO Portrait, 17.01.2018
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Staatsoper Hamburg

Hamburgische Staatsoper © IOCO
Hamburgische Staatsoper © IOCO
Brenda Roberts © Brenda Roberts
Brenda Roberts © Brenda Roberts

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BRENDA ROBERTS  -  ROLLENIMPRESSIONEN

Von Rolf Brunckhorst

2017 erschien erstmals der Mitschnitt der als verloren geglaubten Bayreuther Siegfried Aufführung aus 1974; mit der damals so jungen Brenda Roberts als Brünnhilde: Seit Erscheinen dieses Siegfried-Mitschnitts ist Brenda Roberts wieder ins Gespräch gekommen. Zeit also, sich an ihre großen Auftritte zu erinnern. Begonnen hat ihre Karriere am Staatstheater Saarbrücken, weitere Stationen waren die Opernhäuser Bielefeld und Nürnberg, bis GMD Horst Stein sie dann an die Hamburgische Staatsoper engagierte. Brenda Roberts war im Jahre 1978 meine erste Elektra überhaupt. Vorher hatte ich mich bei Freunden informiert, welche der Elektra-Sängerinnen die derzeit Beste sei. Bei dem Namen Brenda Roberts vermutete jemand, sie sei doch viel zu jung, das könne doch gar nicht gehen. Also suchte ich mir eine andere Elektra-Vorstellung aus. Am Abend erwartete mich im Hamburger Opernhaus ein roter Zettel, der mich darüber informierte, daß statt der angesetzten Elektra nun Brenda Roberts die Titelpartie übernehmen werde. Nun denn …. Nach der allseits bekannten Mägde-Szene begann der große Monolog. Ich hörte eine fast lyrische, aber metallische und wuchtig ausladende Sopranstimme, die in der Höhe prächtig aufging. Dazu nahm das intensive Spiel von vornherein für diese Sängerdarstellerin ein. Brenda Roberts führte ihre Stimme unangefochten durch alle Szenen und stellte sowohl Aggression, Hohn und Spott für Klytämnestra dar, zeigte sich aber fast kindlich zutraulich ihrem Bühnenbruder Orest gegenüber. Bis zum Schlußjubel war von einer Überanstrengung der Stimme nichts zu hören, und es gab allenthalben Bravos für diese Leistung. Am Bühnenausgang zeigte sich Brenda Roberts unkompliziert und aufgeschlossen und erzählte, daß sie zur Zeit eine Serie Salome-Vorstellungen am Staatstheater Braunschweig sänge. Zum abgesprochenen Vorstellungstermin fand ich mich im Braunschweiger Opernhaus ein.

Brenda Roberts © Wolfgang Schmitt
Brenda Roberts © Wolfgang Schmitt

Diese Salome wird mir für alle Zeiten unvergeßlich bleiben. Diese Salome spielt in einem Schlachthaus, die weißen Kacheln waren blutüberströmt, und die läppischen Kostüme waren das Tüpfelchen auf dem „i“. Einige Abonnenten verließen vorzeitig das Haus, und auch mein Nebenmann wurde während des Judenquintetts unruhig und wäre am liebsten gegangen, wenn nicht Brenda Roberts‘ bisherige Leistung einen fulminanten Schlußgesang versprach. Höhepunkt des ersten Teils war zweifellos die Szene mit Jochanaan, in der sich Brenda Roberts geradezu in eine Hysterie hineinsteigerte, wenn sie beharrlich verlangte, den Mund des Jochanaan zu küssen. Während des nachfolgenden Zwischenspiels zog sie alle Blicke auf sich, da man an ihrer Körpersprache erkennen konnte, daß großes Unheil geschehen werde. Daß der Tanz in dieser Atmosphäre von vornherein verschenkt sein würde, war klar, denn in diesem Schlachthaus konnte keinerlei erotische Stimmung aufkommen. Der Schlußgesang hatte es dann wirklich in sich: mit immer schärferer Tongebung verlieh Salome ihrer Forderung nach dem Kopf des Jochanaan hörbaren Nachdruck, und verfiel wieder in die bereits erwähnte Hysterie, der man nur mit der Erfüllung ihres Wunsches Einhalt gebieten konnte. Während der Schlußszene entwickelte Brenda Roberts‘ Salome sich angesichts des Toten wieder in das kleine unschuldige Mädchen zurück, das sie vielleicht liebend gern geblieben wäre. Aber wenn der Mond die dunkle Szenerie nur knapp erhellt, gewinnen Salomes innere Dämonen wieder Gewalt über sie und sie bejubelt das Geschehene. Diese fulminante Darstellung stand im Einklang mit einer vorzüglichen stimmlichen Leistung, die verstehen läßt, daß Brenda Roberts zu den gefragtesten Salome-Sängerinnen ihrer Zeit zählte.

Drei Strauss-Generationen hier vl Viorica Ursuleac, Astrid Varnay, Brenda Roberts © Brenda Roberts
Drei Strauss-Generationen hier vl Viorica Ursuleac, Astrid Varnay, Brenda Roberts © Brenda Roberts

Nur wenige Wochen später: zweimal Ortrud (Lohengrin) in – ihrer – Hamburger Inszenierung. Während des ersten Aktes, in dem die Ortrud nahezu eine Stunde lang nichts zu singen hat, ist sie aber trotzdem von Beginn an präsent, sie beratschlagt sich mit ihrem Mann, umkreist immer wieder die handelnden Personen, und vermittelt auf diese Weise den Eindruck einer fanatischen, einer getriebenen Frau. Im zweiten Akt wird klar, was diese Ortrud antreibt: es ist das Klammern an die alte Religion, die alten Götter, die für Ortrud noch nichts an Kraft und Glanz verloren haben. Geradezu unheimlich schleudert Brenda Roberts in der Szene mit Telramund das Wort „Gott“ heraus, nachdem totale Stille herrscht, die keinem Gelächter oder ähnlichem geopfert wird. Brenda Roberts steigert sich in dieser Szene hin zu phänomenalen „Entweihten Göttern“, bei denen sie auch durch ihre Körpersprache ausdrückt, daß mit dieser Vertreterin der alten Götter noch zu rechnen sein muß. Vor dem Münster kommt es dann zum Showdown zwischen Ortrud und Elsa, wenn Ortrud ihr weißes Gewand ablegt und ganz in schwarz, der Farbe ihrer Rache, vor dem Volk steht. Und auch die Schlußszene zeigt, daß Ortrud zumindest in einer Hinsicht triumphieren wird, Lohengrin muß seine Ehefrau zurücklassen, und Ortrud giftet ihm ein höhnisches „Fahr‘ heim Du stolzer Helde“ nach. Sie hat zweifelsohne noch viel vor an diesem Hof. Brenda Roberts‘ Ortrud: ein Rollenbild aus einem Guß.

Brenda Roberts‘ Isolde-Debüt ist angesagt, und so treffen sich einige auswärtige Opernfreunde an diesem Sonntag am Staatstheater Mainz. Zwei wichtige Pfeiler einer Tristan-Premiere, nämlich die Inszenierung und die Besetzung des Titelhelden, lagen wie ein Schatten auf dieser Premiere. Das Bühnenbild litt unter erkennbaren Sparzwängen, und so war der Versuch, Arnold Böcklins Toteninsel zum Bühnenbild umzugestalten, sichtbar gescheitert. Zudem paßte in diese marode Kulisse Herbert Becker wie das Tüpfelchen aufs „i“. Ich hatte ihn vor vielen Jahren als Siegfried erlebt, und mein erster Gedanke war, er sieht aus wie der klassische Oberförster. Mit seinen roten Bäckchen und seiner properen Figur paßte er nun gar nicht in den weißen Dandy-Anzug, dessen Jacke er sich entledigte, um sie Brenda Roberts als Sitzunterlage für das Duett anzubieten. Auch stimmlich konnte ich mit seiner Art zu singen nie richtig glücklich werden, zu eigenwillig erscheinen einige Phrasen, zu auffällig wurden an dramaturgisch vertretbaren Plätzen Kräfte gespart. Und zum Schluß noch eines: die ganzen Blumensträuße und Bravo-Rufe für Brenda Roberts waren NICHT von ihr bestellt worden, sondern eine Überraschung für die Sängerin anläßlich ihres Rollendebüts. Auf der Haben-Seite des Abends blieb noch ein kreuzbraver Kurwenal und eine etwas vorsichtige, aber stimmschön agierende Brangäne. Doch das Ereignis des Abends war zweifellos Brenda Roberts als Isolde, die gleich am Premierentag von dieser Rolle Besitz ergriff. Vom ersten „Wer wagt es zu Höhnen“ bis hin zu „Unbewußt, höchste Lust“ zeigt die Stimme alle Facetten, die ihr zur Verfügung stehen und die für diese Rolle auch benötigt werden. Besonders gut gelingt ihr der höhnische, mitunter sogar sarkastische Dialog mit Tristan, herrlich auch, wie eiskalt sie Kurwenal abserviert: „Nicht sollt ich mich bereiten …“. Nach einem prachtvoll gesungenen Finale wurden wir in die erste Pause entlassen. Da das Mainzer Opernhaus darauf bestanden hatte, ausgerechnet an diesem Premierenabend ihr neues Computerkartensystem auszuprobieren, waren viele Leute verspätet oder gar nicht in den ersten Akt gekommen. Der Ärger darüber war fast lauter als die klassischen Pausengespräche über die Musik. Nachdem für den zweiten Akt nun auch alle, die Karten vorbestellt hatten, hinein durften, gab es gleich einen Höhepunkt zu bestaunen: Brenda Roberts schleuderte souverän und wuchtig ihr „Frau Minne sprach, es werde Nacht“ an Brangänes Adresse, so daß alle in Merket-auf-Stellung saßen. Damit begann das lange Duett, von mir als Solo mit Begleitung empfunden. Brenda Roberts sang wunderschön, empfindsam und differenziert, mit topsicherer Tongebung und nie nachlassendem lyrischem Fluß. Wunderbar, wie sie sich nach dem verhaltenen Beginn von „So starben wir“ zu der finalen Passage „Der Liebe nur zu leben“ steigert. Bleibt noch der dritte Akt, für mich eine Stunde  Warten auf Brenda Roberts‘ Auftritt, ein Warten, für das ich mit Isoldes letzten Monologen belohnt wurde. Am Ende „Mild und leise, wie er lächelt“, zärtlich verhalten beginnend, sich prächtig zu einem leuchtenden „Welt-Atem“ erhebend, um im sauber getragenen Piano der „Höchsten Lust“ zu vollenden. Obwohl dieses Rollendebüt schon so viel Definitives aufgezeigt hatte, hat Brenda Roberts für die nächsten Vorstellungen weiter an der Partie gearbeitet und hat immer neue Nuancen herausstellen können (NB: "Ich habe vier der fünf Vorstellungen gesehen).

Samstagmorgen … ein bißchen ausschlafen … das Telefon läutet: „Hier Brenda Roberts, ich gebe heute Abend in Oldenburg mein Kundry-Debüt, ohne Orchesterprobe, nur mit Klavierprobe und kurzer szenischer Einweisung.“ Am Abend klang s aber alles andere als ungeübt. Das Oldenburger Opernhaus hatte eine Besetzung zusammengestellt, die miteinander sang und sich auch Orchester und Chor verlassen konnte. Nachdem Brenda Roberts schon im ersten Akt einige Male hat aufhorchen lassen („Deine Mutter ist TOT“ und „Sind die Tiere hier nicht heilig“), entwickelte sich im zweiten Akt eine spannende Auseinandersetzung zwischen Klingsor und Kundry, bei der sich Kundry sichtbar bemühte, nicht den neuen Anweisungen ihres Bühnenbeherrschers Klingsor folgen zu müssen. Die großen, geradezu expressiven Schreie zeigten auch im Publikum ihre Wirkung, zwei Damen hinter mir waren ganz verblüfft darüber, daß an diesem Abend solch ein ausdrucksstarkes Stück geboten wurde. Dann folgten die 20 Minuten, auf die jedes Parsifal-Publikum lauert: die ausgeweitete Szene zwischen Kundry und Parsifal. Brenda Roberts beginnt ganz schlank auf Linie und bringt den ersten Teil von „Ich sah das Kind an seiner Mutter Brust“ inspiriert, intonationssicher und wortverständlich über die Runden. Noch einmal steigert sie ihr heißblütiges Spiel, wenn sie Christus am Kreuz verlacht. Dann folgt Kundrys finaler Ausbruch, bei dem man merkt, daß sie noch nicht an ihre Grenzen gegangen ist. Der dritte Akt bietet der Kundry nicht mehr als das stöhnende Geräusch und die beiden „dienen“-Rufe. Trotzdem war Brenda Roberts in ihrer Gestaltung durchweg intensiv, und ihre Reaktion auf ihre Mitspieler war von einem tiefen Rollenverständnis geprägt.

 Brenda Roberts © Sebastian Siercke
Brenda Roberts © Sebastian Siercke

Wenn dieser Bericht einen störungslosen Ablauf protokolliert hat, so ist dieses vor allem Brenda Roberts zu verdanken, die sich die heikle Kundry-Partie an diesem Abend ganz zu eigen gemacht hat. Dieses ist nur ein weiteres Beispiel für die Professionalität von Brenda Roberts, mit der sie hier wie auch an verschiedenen anderen Opernhäusern in aller Kürze eine Vorstellung gerettet hat. Das führt uns zwanglos zum nächsten Bericht. Wir sind wieder in Hamburg, es gibt Die Frau ohne Schatten, und die Retterin der Aufführung an diesem Abendheißt Brenda Roberts. Die alte Kurt-Horres-Inszenierung war ein Repertoire-Glanzstück und wurde in der Regel auf Weltklasse-Niveau besetzt. Das war auch an diesem Abend nicht anders, da die fünf Hauptpersonenalle auf Augenhöhe miteinander agieren konnten. Brenda Roberts ist für die Besetzung der Färbersfrau ein Glücksfall. Auf den ersten Blick wirkt sie jung und verletztlich, ist aber in ihrer Ehe zutiefst frustriert, und zwei nach unten gezogene Mundwinkel zeugen von steter Unzufriedenheit. Das ist genau die Färbersfrau, die sich die Amme und die Kaiserin gewünscht haben. Die Färbersfrau scheint ihnen auch auf den Leim zu gehen, wenn sie z.B. Juwelen geschenkt bekommt und scheinbar ganz hilflos fragt, „dies in mein Haar?“, und doch schon sehr genau weiß, daß diese Sachen bald ihr gehören werden. Daß die junge Frau im ersten Akt aber noch nicht alle moralischen Maßstäbe über Bord geworfen hat, erkennt man an ihren Ängsten, wenn sie glaubt, die Stimmen der ungeborenen Kinder zu hören. Auch im zweiten Akt bleibt sie hinter den „Erwartungen“ der Amme zurück. Sie will sich nicht mit dem nackten Jüngling, vom Markt in ihre Stube gezaubert, einlassen, und so kommt es zu keiner Minute zu dem Ehebruch, den die Färberin später ihrem Mann fälschlich gesteht. Diese im wahrsten Sinne des Wortes hochdramatische Handlung fordert auch einen beinharten hochdramatischen Sopran. Mit Brenda Roberts steht ein Färbersfrau auf der Bühne, die den von Richard Strauss entfachten Klangwogen stets noch etwas entgegenzusetzen hat. Großer Jubel am Ende des zweiten Aktes. Der dritte Akt bietet die vielleicht schönste Musik, die Richard Strauss jemals komponiert hat. Ganz aufgehen kann man in dem Auftaktsduett, in dem Barak und seine Frau langsam wieder zueinander finden. Färbersfrauen, die sich am Ende des zweiten Aktes verschrien haben, haben natürlich ihre Probleme mit dem lyrischen Fluß des Duetts, aber dies bereitete Benda Roberts keinerlei Probleme und sie sang sieghaft ihren nächsten Höhenanforderungen entgegen. Wenn dann im Finale die beiden Paare endlich wieder zueinander gefunden haben, bietet das abschließende Quartett den Protagonisten noch einmal die Gelegenheit, ihre Stimmstärken in die Waage zu werfen. Ein mehrfaches hohes „C“ beendete dann eine Vorstellung auf allerhöchstem Niveau. Das Publikum liebte seine Färberin und feierte die Aufführung ausgelassen.

Als letztes habe ich die Sommerfestspiele in Bad Hersfeld ausgesucht: Zwei Sommer lang Fidelio mit Brenda Roberts in der Titelrolle. Die Stiftsruine bildet einen idealen Platz für die Darstellung dramatischen Geschehens. Es war wahrlich beeindruckend, wie nach der Rückkehr der Gefangenen in ihre Kerkerauch das natürliche Tageslicht sich für diese Nacht zurückzog. Die Festspielintendanz hatte ein hoch motiviertes Team an die zum Teil recht schwierigen Partien herangeführt, und man konnte in den Tagen bis zur Premiere sehen, wie die Aufführung reifte. Bei der Premiere zeigten sich alle in Bombenform. Brenda Roberts‘ kräftige Stimme fand sich in der ungewohnten Akustik schnell zurecht und sie konnte ihre Leistung im ersten Akt mit einem grandiosen „Abscheulicher, wo eilst du hin“ krönen. Es war eine Freude, wie die Koloraturen aufeinander perlten, bis Brenda Roberts dann im Finale der Arie zeigte, daß sie eine echte Hochdramatische ist. Mit dem nötigen Metall in der Stimme ging es weiter zum jubelnden „Noch heute, noch heute“. Pausenlos ging es in den zweiten Akt, wo sich Brenda Roberts kämpferisch zeigte, um ihrem Bühnengatten unter Einsatz ihres eigenen Lebens die Freiheit zu ermöglichen. Das Duett nach der befreienden Nachricht des Ministers verdient ein Extra-Lob. Insgesamt eine würdige Aufführung für diesen eindrucksvollen Festspielort. Brenda Roberts erhielt übrigens den „Kulturpreis der Stadt Bad Hersfeld“ für ihre Leistung.

Der zeitliche Rahmen des geschilderten verteilt sich auf ca. 10 Jahre, die nicht ganz so typischen Roberts-Partien (Turandot, Lady Billows, Tosca, Ariadne) verdienen vielleicht einen Folgebericht. Vielen Dank an Brenda Roberts für ihre Mithilfe.

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