Rostock, Volkstheater Rostock, Uraufführung - La Signora Doria - Eine Kriminaloper, IOCO Kritik, 26.6.2017

Rostock, Volkstheater Rostock, Uraufführung - La Signora Doria - Eine Kriminaloper, IOCO Kritik, 26.6.2017
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Volkstheater Rostock

Volkstheater Rostock / La Signora Doria - James J. Kee als Giacomo Puccini , Jamila Raimbekova als Signora Doria © Thomas Häntzschel
Volkstheater Rostock / La Signora Doria - James J. Kee als Giacomo Puccini , Jamila Raimbekova als Signora Doria © Thomas Häntzschel

Uraufführung La Signora Doria - Kriminaloper

 Nach dem Roman "Der Fall Doria" von Sophia Mott

La Signora Doria am Volkstheater Rostock;  weitere Vorstellungen: 30.6.2017, 7.7.2017, 9.7.2017, 14.7.2017, 16.7.2017, 20.7.2017, 22.7.2017 (IOCO Hinweis:: Die Produktion ist sehr gut besucht. Karten rechtzeitig reservieren!)

Von Thomas Kunzmann

Mecklenburg-Vorpommern wartet seine vielen Besucher mit vielfältiger Event-Kultur aber leider auch desolaten Theatern auf. Doch während Störtebeker in Ralswiek, Tony und Maria in Schwerin oder Die Piraten in Grevesmühlen den unberechenbaren Wetterkapriolen ausgeliefert sind, Prebberede sich vom Regensommer 2011 nie erholt hat, soll es die Rostocker Theaterbesucher und ihre Gäste im Sommer in eine alte Schiffsbauhalle auf der ehemaligen Neptunwerft, die Halle 207, ziehen.

Eine gute Idee, möchte man meinen, ist doch die Akustik der Halle 207 bekanntermaßen deutlich besser als in dem seit Jahrzehnten bewirtschafteten Provisorium Volkstheater. Und die neue Intendanz unter Joachim Kümmritz macht einige Nägel mit Köpfen. Auf fünf Jahre ist die Halle für die Sommerbespielung unter Vertrag. Sogar die Schiffe der Blauen Flotte legen für einige Veranstaltungen an, um den Gästen aus Warnemünde die Zufahrt zu erleichtern. Mit Sonderförderungen konnte geeignete Technik installiert werden, die ansonsten auch für das Stammhaus genutzt werden kann. Platz ist für bis zu 720 Gäste und statt einer einzigen Inszenierung gibt es fünf verschiedene. Denn neben dem Eröffnungsprogramm La Signora Doria wird es Moby Dick als Kinderstück gegeben, ROCK’N’ROSTOCK als Tanztheater, das 10. Philharmonische Konzert wird in die Halle verlegt. Ein Belcanto-Abend unter der Moderation von NDR-Kultur-Journalist Hans-Jürgen Mende steht auf dem Plan.

Zufall oder Absicht – auf den Tag genau vor 2 Jahren war es Mende, der gemeinsam mit den Weltstars Manuela Uhl, Klaus Florian Vogt und Roman Brogli-Sacher im Volkstheater das Programm „Wagner mit Wut“ organisierte, um auf die prekäre Lage des Volkstheaters in der einst „Bayreuth des Nordens“ genannten Stadt hinzuweisen. Alles andere als förderlich war lange Zeit Oberbürgermeister Roland Methling und man schickte damals in der Pause reichlich dreihundert Luftballons mit guten Wünschen in den Himmel. Der günstig stehende leichte Wind trug sie tatsächlich Richtung Rathaus. Und nun, zwei Jahre und ein Intendant später, wird die Werfthalle 207 wieder genutzt, wie letztmals unter Peter Leonard im Juli 2014. Die Halle gehört einem Verein, dessen Vorsitz der Oberbürgermeister innehat. Aber niemand macht einen Skandal daraus.

Ein richtig großer Skandal war hingegen im Jahre 1909 der Tod des Dienstmädchens Doria im Hause des berühmten Komponisten Giacomo Puccini. Dem Maestro wurde eine Liebesbeziehung zu ihr nachgesagt, die eifersüchtige Ehefrau machte der jungen Signora das Leben zur Hölle, worauf Doria sich das Leben nahm. In der Rostocker Kriminaloper entdecken die den Tod der Signora Doria ermittelnden Kommissare Sigrid Hansen (Renate Krößner) und Oskar Kowalewski (Paul Lücke) einige Ungereimtheiten. Sigrid Hansen verdingt sich kurzerhand (wie herrlich ist doch Theaterfantasie) in Puccinis Diensten und geht dem alten Fall nach. Sie erlebt, wie Puccini aus den Geschehnissen in seinem Umfeld die Inspiration für seine Opern zieht. Ganz beiläufig erhält man Einblicke in das ausschweifende Leben eines der  erfolgreichsten Komponisten der Operngeschichte.

Volkstheater Rostock / La Signora Doria - James J. Kee als Puccini © Thomas Häntzschel
Volkstheater Rostock / La Signora Doria - James J. Kee als Puccini © Thomas Häntzschel

Rainer Holzapfel, der mit Killing Orpheus bereits im letzten Jahr einen Opern-Thriller in Neustrelitz etablierte, nimmt sich in Rostock nun des Buches Der Fall Doria an und verdichtet Krimi, Arien und Beziehungsdramen zu einer eigenen Geschichte. Das schlichte Bühnenbild von Olaf Grambow, das sich in vier Stunden auf eine der anderen Vorstellungen umbauen lässt, besteht aus einigen schrägen Auf- und Abgängen, Stegen und passt sich bestens in die Architektur des Gebäudes ein. Mit einem alten Klavier für den Meister, Stühlen und zwei Schreibtischen für die Kommissare ist die Ausstattung komplett. Im Hintergrund, gut hör- und sichtbar, das Orchester.

Dauergast und nun festes Ensemblemitglied James J. Kee gibt den mal selbstbewussten, mal charmanten, mal melancholischen Hausherren Giacomo Puccini. Der mitunter allzu kräftige Tenor bringt den Opernsängern La Boheme bei. Ob Ironie oder nicht – er selbst war 2012 noch Marcello im Theaterzelt. Jamila Raimbekova, damals Mimi, heute Doria/Butterfly besticht mit zartem Sopran. Einen stählernen Bariton bewies Grzegorz Sobczak bereits als Titelfigur in Zar und Zimmermann und bestätigt hier stimmlich wie mit seiner Bühnenpräsenz nochmals seine Qualitäten, auch er ein Neuzugang im festen Ensemble.

Ob Opernkenner oder neugieriger Gast des Abends – unvergessen wird allen jedoch die „Rodolfo-Arie“ des Newcomers Chulhyun Kim bleiben, von dem man sich sehnlich ein abendfüllendes Programm wünscht.

Volkstheater Rostock / La Signora Doria - Anna-Maria Kalesidis als Puccinis Ehefrau und Jamila Raimbekova als Dienstmaedchen Doria  © Thomas Häntzschel
Volkstheater Rostock / La Signora Doria - Anna-Maria Kalesidis als Puccinis Ehefrau und Jamila Raimbekova als Dienstmaedchen Doria © Thomas Häntzschel

Der Klang der Norddeutschen Philharmonie unter Manfred Hermann Lehner kommt erwartungsgemäß farbenreich und detailgetreu zur Geltung. Schwelgerisch nimmt das Orchester die Sänger ebenso wie das Publikum mit. Auch Kommissarin Hansen kann sich der ergreifenden Magie der Musik nicht entziehen; Träume verweben sich mit der Wirklichkeit. Die Sogwirkung von Puccinis Musik setzt bereits nach wenigen Takten ein und hält lang an, damals ebenso wie heute. So ist der Besuch dieser Rostocker Uraufführung kein Experiment: Die wunderbare Musik wirkt nur für sich, auf Jeden.  Nur Hingehen muss man!

Das taten, unter anderem vom maritimen Flair der Werfthalle 207 angezogen, ca. 80 neugierige Mitarbeiter der Kreuzfahrtreederei AIDA und brachten zur Unterstützung des Theaters einen großzügigen Scheck mit, überreicht an den Intendanten durch Pressesprecher des Unternehmens Hansjörg Kunze. Und auch Weiterführung der Reihe „AIDA-Konzerte für Teens“ wurde an diesem Abend besiegelt.

Historie trifft auf moderate Moderne: neues Leben in der alten Halle, Puccinis Hits verschmelzen mit zeitgemäßer Kriminologie und Rostocks traditionsreiches Volkstheater setzt weiter auf leicht Verdauliches für Stadt und Besucher.

La Signora Doria am Volkstheater Rostock;  weitere Vorstellungen: 30.6.2017, 7.7.2017, 9.7.2017, 14.7.2017, 16.7.2017, 20.7.2017, 22.7.2017

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