Wien, Volksoper Wien, Der Mann von La Mancha - Mitch Leigh, Dale Wasserman, IOCO Kritik, 23.04.2016

Wien, Volksoper Wien,  Der Mann von La Mancha - Mitch Leigh, Dale Wasserman, IOCO Kritik, 23.04.2016
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Volksoper Wien

Volksoper Wien © IOCO
Volksoper Wien © IOCO

Der Mann von La Mancha -  Mitch Leigh, Dale Wasserman

Kultmusical in Wien: Robert Meyer ist Miguel de Cervantes

Wien / Volksoper - Robert Meyer als Don Quixote © Barbara Pálffy - Volksoper
Wien / Volksoper - Robert Meyer als Don Quixote © Barbara Pálffy - Volksoper

Ritterromane waren populär um 1600, obwohl das Mittelalter abgehakt war und Ritter sich schon lange nur noch auf Festspielen oder in  Mottenkisten tummelten. Miguel de Cervantes (1547 – 1616, er starb am 23. April 2016, vor 400 Jahren) ironisierte diesen Zeitgeist, als er 1605 und 1615 den erfolgreichen Roman Don Quixote veröffentlichte. Cervantes wurde durch seinen Don Quixote unsterblich. Es ist die Geschicht des klapprigen Landadeligen, der in der Mancha Spaniens lebt und täglich so viele Ritterromane verschlingt, dass er in der Folge die Traumwelt von Ritter, Burgen und Helden zu seiner neuen Wirklichkeit erhebt.

Der Mann von La Mancha   -  Dale Wasserman Youtube Trailer der Volksoper Wien [ Mit erweitertem Datenschutz eingebettet ]

Don Quixote, der Ritter von der traurigen Gestalt mit seinen merkwürdigen Abenteuer ist auch heute noch höchst modern, ist er schließlich Ahnherr vieler Leser, welche durch intensive Lektüre das Abenteuer Buch erleben, selbst zum Romanhelden werden. Don Quixote sich über die Jahrhunderte zu einem zentralen Kunstwerk abendländischer Kultur. Bezüge zum Don Quixote finden sich in zahllosen Werken der Literatur, Malerei und Musik Europas.

Wien / Der Mann von La Mancha Ensemble © Barbara Pálffy Volksoper
Wien / Der Mann von La Mancha Ensemble © Barbara Pálffy Volksoper

Mitch Leigh, Dale Wasserman und Joe Darion geben Cervantes und seinem Don Quixote in ihrem 1963 in den USA geschaffenen Musical Der Mann von La Mancha ein verändertes Gesicht. Sprechtheater, Gesang und Rhythmik begegnen sich gleichwertig in der Handlung. Cervantes und sein Diener müssen sich wegen Gotteslästerung der Inquisition stellen. Unter Räuber, Diebe und Mörder eingekerkert rauben diese ihm sein Manuskript zum Don Quixote. Um es wieder zu erlangen stellt sich Cervantes im Gefängnis einer „Gerichtsverhandlung“ und spielt zum Spott wie Mitleid der Mitgefangenen die Abenteuer des Don Quixote, dessen unerschütterlichem Idealismus und Verkennung der Wirklichkeit: Der Kampf gegen Windmühlen, das Bartbecken eines Barbiers wird zum "Goldhelm des Mambrino" , die Hure Aldonza erhebt er zum angebeteten Edelfräulein Dulcinea, vor der Wirklichkeit eines Spiegels zerbricht Don Quijote.... Gestärkt durch diese Aufführung unter Gefangenen geht Cervantes zum Verhör durch die Inquisition. Ergebnis offen.

Wien / Volksoper - Der Mann von La Mancha © Barbara Pálffy Volksoper
Wien / Volksoper - Der Mann von La Mancha © Barbara Pálffy Volksoper

Seit der deutschsprachigen Erstaufführung 1968 im der Theater an der Wien besitzt Der Mann von La Mancha in Wien wie im deutschen Sprachraum Kultstatus. Große Bühnendarsteller wie Josef Meinrad, Blanche Aubry, Fritz Muliar, Dagmar Koller, Karlheinz Hackl, Robert Meyer bereiten die lange Erfolgsspur des Musicals. Die Produktion der Volksoper der Spielzeit 2016/17 belebt diese Tradition.

Wien / Volksoper - Der Mann von La Mancha © IOCO
Wien / Volksoper - Der Mann von La Mancha © IOCO

In dieser Volksoper-Produktion steigt Robert Meyer als Cervantes auf einer langen Flugzeugleiter aus dem Bühnenhimmel hinab in den spartanischen, mit wenig Requisiten ausgestatteten Orkus (Regisseur Olivier Tambosi, Ausstatter Friedrich Despalmes) des Verlieses, wo sich die Mitgefangenen tummeln, „die Verhandlung eröffnen“. Die spartanische Ausstattung rückt die Protagonisten in den Mittelpunkt der Produktion. Robert Meyer, langjähriger Burgschauspieler und jetziger Intendant der Volksoper, formt das Stück als Don Quijote darstellerisch und auch gesanglich mit fesselnder Authentizität. Das gut disponierte Ensemble an seiner Seite führen Spannung, Fluss und Tragik der gesamten Produktion zu einem künstlerischen Guss. Boris Pfeifer spielt den Sancho bedächtig wie quirlig, Patricia Nessy die Aldonza / Dulzinea in mitreißender Direktheit (zu einem fummelnden Mitgefangenen: „Rede mit Deinem Mund, nicht mit Deinen Händen!“). Christian Graf als Gastwirt, Christian Drescher als Padre, Christian Dolezal als Dr. Carrasco und andere gaben dem Stück seine eigenartige, rauhe, mystisch absurde („Unschuldige müssen immer für die Sünden der Schuldigen bezahlen!“, „Glaubt ihr nicht, dass man ein wenig Güte in die Welt bringen kann?“, „Es ist der größte Wahnsinn, die Welt so zu sehen wie sie ist und nicht, wie sie sein sollte!“) wie elegische Färbung. Dirigent Lorenz C. Aichner und sein kleines Orchester, unsichtbar hinter der Bühne platziert, begleitet die Handlung; das Erkennungslied des Musicals Little Bird wird lyrischer Kontrapunkt des Abends.

So feiert das Publikum im ausverkauften Haus an der Währinger Straße Wiens Den Mann von La Mancha von Dale Wassermann und eine Produktion, welche alle Ingredienzen besitzt,  den speziellen Flair des Musicals für Wien zu bewahren.  IOCO / Viktor Jarosch / 20.04.2016