Wuppertal, Wuppertaler Bühnen, Und ewig begeistert Hänsel und Gretel, IOCO Kritik, 12.02.2014

Wuppertal, Wuppertaler Bühnen, Und ewig begeistert Hänsel und Gretel, IOCO Kritik, 12.02.2014
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Wuppertaler Bühnen

Opernhaus Wuppertal © Andreas Fischer
Opernhaus Wuppertal © Andreas Fischer

Hänsel und Gretel von Engelbert Humperdinck

Das junge Publikum feiert auch die letzte Vorstellung !

Auslaufende, „ausgediente“ Produktionen an Theatern finden nur wenig Aufmerksamkeit in den Gazetten. IOCO besuchte Anfang Februar 2015 in Wuppertal die letzte Hänsel und Gretel Aufführung der Spielzeit und sprach mit jungen wie alten Besuchern über deren Meinung zur Inszenierung und Vorstellung. Intendant Toshiyuki Kamioka saniert zurzeit die Oper bei dramatischen Sparvorgaben, kämpft mit höchst merkwürdigen operativen Hemmnissen. IOCO wollte zur letzten Hänsel und Gretel Vorstellung, einer wiederbelebten Produktion von ex-Intendant Johannes Weigand aus 2006, deren Zuspruch, Akzeptanz durch das Publikum kennen lernen.

Wuppertaler Bühnen / Hänsel und Gretel © Uwe Stratmann
Wuppertaler Bühnen / Hänsel und Gretel © Uwe Stratmann

Hänsel und Gretel ist Deutschlands heimliche Nationaloper, eine der meist gespielten Opern in deutschen Sprachraum. Komponist Engelbert Humperdinck (1854 – 1921), ein großer seiner Zunft, lernte 1879 in Italien Richard Wagner kennen, welcher ihn sogleich als persönlichen Assistenten nach Bayreuth engagierte. So wirkte Humperdinck 1882 an der Uraufführung des Parsifal aktiv mit. Auch Cosima Wagner war von Humperdinck angetan. Lange nach Richard Wagner Tod bat sie ihn, ihrem Sohn Siegfried Musikstunden zu geben und in Kompositionslehre zu unterweisen. Die Komposition von Hänsel und Gretel ist mehr als leichte Kinderkost. Humperdincks spätromantischer Welterfolg atmet die kompositorischen Erfahrungen seiner extremen Jahre von Bayreuth. Der große Richard Strauss leitete 1893 die Uraufführung.

Wuppertaler Bühnen / Hänsel und Gretel - Taumännchen und Engel © Uwe Stratmann
Wuppertaler Bühnen / Hänsel und Gretel - Taumännchen und Engel © Uwe Stratmann

Hänsel und Gretel in Wuppertal ist eine märchenhaft, lebensnah wie bunte Produktion, welche das jüngere Publikum mitnehmen möchte. Die grausamen Teile der Grimmschen Sage werden deshalb sorgsam verpackt. Farbendralle Bühnenprospekte (Markus Pysall) verleihen dem Bühnengeschehen einen unschuldig, romantischen Hintergrund. Ein alter hölzerner Wohnwagen, eine Wäscheleine, und ein Sessel stimmen das junge Publikum in die meist bekannte Handlung ein: Hänsel und Gretel tollen ausgelassen, die Mutter Gertrud sorgt sich und schimpft, Vater  Besenbinder kommt ausgelassen von der Arbeit. Doch dann weicht das Klassische: Das Sandmännchen erscheint in Tretboot und Raumanzug, Taumännchen auf schrägem, propellergetriebenem Fahrrad. Das Lebkuchenhäuschen der Hexe ist  ein Haribo-Lakrizhäuschen, dem eine zunächst "brave Hexe" in gepflegtem Kostüm entsteigt, Hänsel und Gretel lockend. Doch bald feiern die kleinen Besucher begeistert mit: Von Kostüm und Haaren entledigt, in Kleiderfetzen und mit bleichen Zottelhaaren vollführt die "böse Hexe" einen  Hexentanz  und verschwindet letztendlich und leibhaftig im Bühnenhimmel.

Wuppertaler Bühnen / Hänsel und Gretel - Hexe © Uwe Stratmann
Wuppertaler Bühnen / Hänsel und Gretel - Hexe © Uwe Stratmann

Mikhail Asgrest führt das gut aufgelegte Sinfonieorchester Wuppertal schon mit der Ouvertüre sanft, romantisch durch Grimms Märchenwelt. Die Klänge schweben, die große Komposition Engelbert Humperndincks wird hörbare Belohnung der reifen, Hänsel und Gretel-erfahrenen Besucher. Klangsprachliches bleibt in den sphärischen und somnambulen Partien schön erhalten. Dorothea Brandt als Gretel stimmt mit ihrer lyrisch und gut verständlich gesungenen Arie „Brüderchen komm tanz mit mir“ das junge Publikum sofort ein. Ein 8-Jähriger berichtete uns begeistert in der Pause, „man versteht alles so gut“; nicht ohne, ganz alter Opernhase, über das manchmal laute Orchester zu klagen. Gemeinsam mit Michaela Mehring als Hänsel tanzen, singen, spielen die Hauptprotagonisten bestens abgestimmt. Thomas Laske zeichnet, obwohl noch jung wirkend, mit wohltimbriertem Bariton den gut gelaunten wie sorgenvollen Vater stimmlich wie spielerisch authentisch, von Stefanie Braun als Mutter bestens begleitet. Der junge Tenor Boris Leisenheimer verleiht als zunächst betulich „brave“, dann aber als fetzig „böse“ Hexe der Partie stimmlich wie darstellerisch markanten, mitreißenden Charakter; auch sein leibhaftiger Abflug (Michael Pachura) quer durch den Bühnenhimmel gelang: Von vielen Kindern laut bestätigt! Der vom Zauber befreite große Kinderchor, "Erlöst, befreit für alle Zeit", besingt liebevoll das gute Ende von Handlung wie der letzten Hänsel- Aufführung der Spielzeit.

Wuppertaler Bühnen / Hänsel und Gretel - Die böse Hexe © Uwe Stratmann
Wuppertaler Bühnen / Hänsel und Gretel - Die böse Hexe © Uwe Stratmann

Das junge Publikum tobte. Auch wir Großen konnten uns der Spielfreude des Ensembles wie der sanften Romantik des abschließenden Kinderchores nicht entziehen. Das klassische Märchen Hänsel und Gretel wird in Wuppertal zur bunten Wundertüte für das begeistert tuschelnde junge Publikum. Die letzte Vorstellung von Hänsel und Gretel zeigte hohe Akzeptanz.

Die Oper Wuppertal war  ausverkauft, das Publikum aufgeschlossen.  Die vielen fröhlichen ganz Kleinen merkten ihrem Jubel nur schüchtern an, das Orchester könne gelegentlich leiser spielen.

IOCO / Viktor Jarosch / 13.02.2015

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