Tallinn, Estnische Nationaloper Tallinn, Premiere Die Zirkusprinzessin - Manegezauber im Opernhaus, IOCO Kritik, 03.01.2015

Tallinn, Estnische Nationaloper Tallinn, Premiere Die Zirkusprinzessin - Manegezauber im Opernhaus, IOCO Kritik, 03.01.2015

DIE ZIRKUSPRINZESSIN - Manegezauber im Opernhaus

Premiere am 3. Januar 2015

Estonian National Opera / Zirkusprinzessin © Harri Rospu
Estonian National Opera / Zirkusprinzessin © Harri Rospu

Operette von Imre Kálmán Regie: Thomas Mittmann Bühnen- und Kostümdesign: Gilberto Giardini Dirigent: Lauri Sirp Musik: Estonian National Opera Orchestra Lichtdesign: Anton Kulagin Choreographie: Marina Kesler

Die Estnische Nationaloper bringt Kalmans „Die Zirkusprinzessin“ nach 50 Jahren erstmals wieder auf der Bühne

Gleich beim Eintritt in Tallinns Opernhaus empfing das Publikum der Zauber der Zirkuswelt. Während die Besucher ihre Mäntel aufhängten und danach im Foyer an einem Glas Sekt nippten, zeigte über ihren Köpfen eine Seiltänzerin in schillerndem Kostüm ihre Nummer. Das Publikum schaute staunend zu, klatschte und lachte -  eigentlich wie jedes andere Publikum auf dem Weg in den Zirkus.

Estonian National Opera / Zirkusprinzessin © Harri Rospu
Estonian National Opera / Zirkusprinzessin © Harri Rospu

“Wir haben uns dafür entschieden, eine Bühne zu schaffen, auf der der Zirkus immer präsent ist“, erklärte Regisseur Thomas Mittmann. Und Bühnen- und Kostümdesigner Gilberto Giardini fügte hinzu:

Meine Vorstellung war die von einem Zirkus in einem Zirkus. Das Leben ist manchmal wie ein Zirkus – und daher kam mir die Idee, die ganze Operette in diesen Rahmen zu stellen.“

Auch im Zuschauerraum wirkt die Zirkusatmosphäre weiter. Als das Licht ausgeht und die ersten Akkorde der Ouvertüre erklingen, öffnet sich der Bühnenvorhang und gibt den Blick frei auf eine riesige Collage voller großformatiger Zirkusbilder. Sie wird durchleuchtet und gibt den Blick frei auf ein stimmungsvolles Bühnenbild, komplett mit Zirkuszelt, Lichtern und Ballons, alles Teil eines größeren Zirkusreiches. In aufregendem Tempo füllt sich die Szene mit Clowns, Jongleuren, Tänzern, einer dicken Dame, einem starken Mann und zahllosen anderen bunten Zirkusfiguren.  Fast meint das Publikum das Sägemehl der Zirkusarena zu riechen.

Nicht häufig sitzt bei einem Werk, das 1926 erstmals aufgeführt wurde, die Tochter des Komponisten am Premiere-Abend im Publikum. Yvonne Kálmán ist die jüngste von Imré Kálmans drei Kindern und reiste in die estländische Hauptstadt Tallinn, wo die Operette “Die Zirkusprinzessin” am 3. Januar zum ersten Mal nach 50 Jahren wieder auf die Bühne gebracht wird. “Ich freue mich so, dassDie Zirkusprinzessinhier gezeigt wird. Sie wurde so selten aufgeführt, dass ich sie zum ersten Mal auf einer CD hörte”, erzählte sie.

Estonian National Opera / Zirkusprinzessin © Harri Rospu
Estonian National Opera / Zirkusprinzessin © Harri Rospu

Der 1953 verstorbene ungarische Komponist, Imre Kálmán, war ein viel bewunderter Zeitgenosse von Franz Lehar. Die früheren Werke des profilierten Komponisten „Die Csárdásfürtin“ (1915) und „Gräfin Mariza“ (1924) waren in den vergangenen Jahrzehnten regelmäßig auf der Bühne zu sehen. Und vor einiger Zeit brachte die Komische Oper in Berlin seine Operette Arizona Lady zurück auf die Bühne. Über die Rückkehr der „Zirkusprinzessin“ freut sich Yvonne Kálmán besonders: “Als ich die Musik zum ersten Mal hörte, verliebte ich mich sofort in sie. Sie ist so voller Harmonien. Einfach schön.”

Die Estländer haben eine besondere Beziehung zur Zirkusprinzessin. Das hat hauptsächlich mit dem legendären estländischen Bariton Georg Ots zu tun, der 1958 in dem russischen, auf einer von Kálmáns Hauptfiguren basierenden Film “Mister X” zu sehen war. Bei der Premiere in Tallinn war in der Rolle des Mister X, René Soom zu hören, der Großes leistete. Sein ausdrucksstarker Gesang war sehr bewegend. Allein an wenigen Stellen wirkte der Klang seiner warmen Baritonstimme beeinträchtigt, so als forciere er den Klang zu sehr.

An seiner Seite zeigte Janne Sevtsenko in der Rolle der Prinzessin Fedora Palinska eine überzeugende Leistung. Ihr Sopran passte sehr gut zur Partitur, erlaubte ihr aber an diesem Abend nicht, ihr volles Potential zu entfalten, vielleicht einfach eine Folge von Premieren-Nervosität. Hanna-Liina Võsa kombinierte Witz und Charme und schuf stimmlich komplett sicher eine sehr überzeugende und liebenswerte Mabel, auch wenn ihre Stimme eher in ein Musical als in eine Operette gepasst hätte.

Estonian National Opera / Zirkusprinzessin © Harri Rospu
Estonian National Opera / Zirkusprinzessin © Harri Rospu

Mittmanns Regie betont die komischen Aspekte des Werkes. Mit viel Tanz und einer gewissen Frivolität gelingt ihm eine unterhaltsame und witzige Produktion. Dabei hat die Produktion durchaus auch ihre zartfühligen Momente, die sich besonders bei den kleineren Ensembles und Duetten zeigen. Bei der Interpretation des Textes auf Estländisch hatte er Unterstützung durch die renommierte, ehemalige estländische Schauspielerin und Sängerin Helgi Sallo.

Mit leuchtenden Farben, einfachen Konstruktionen und stimmungsvollem Licht versetzen Gilberto Giardinis fantasievolle Bühnenbilder Darsteller und Publikum in eine magische Zirkuswelt. Sie bilden einen malerischen Hintergrund für seine prächtigen, lebendigen und witzigen Kostüme, die den Charakteren wie auf den Leib geschnitten sind. Inmitten der Aufführung setzt eine lebhafte russische Tanzszene mit Tänzern in traditionell anmutenden, farbenfrohen Kostümen nach einer Choreographie von Marina Kesler einen spannenden Akzent. Und während der gesamten Aufführung unterstützt Anton Kulagins Lichtdesign die jeweilige Stimmung.

Estonian National Opera / Ivonne Kalman zusammen mit den Solisten Janne Shevtshenko und René Soom © Harri Rospu
Estonian National Opera / Ivonne Kalman zusammen mit den Solisten Janne Shevtshenko und René Soom © Harri Rospu

Schwungvoll führte Dirigent Lauri Sirp das estnische Opernorchester durch die manchmal nicht ganz einfache Musik Kálmáns. Er legte ein schnelles Tempo vor und technisch gelang die Umsetzung der Musik sehr gut. Gelegentlich war das Orchester allerdings zu dominant, was eine Herausforderung für viele der Sänger darstellte. Das lag vor allem an der etwas bedeutungsschweren Interpretation, weniger an der Lautstärke. Kálmán schrieb diese Musik im Wien der 20er Jahre, und sie funktioniert besser, wenn sie die frivole Stimmung dieser Zeit spiegelt.

Als am Schluss der letzten Szene, in der die vier Hauptfiguren gemeinsam auftreten, das Licht ausgeblendet wird, hinterließ das Happy End der Operette bei allen ein Gefühl der Zufriedenheit. Nur zögerlich verließ das Publikum den Zauber der Zirkuswelt und kehrte in die schneebedeckten Straßen von Tallinn zurück.

Die Tochter des Komponisten, Yvonne Kálmán, war sehr angetan von der Aufführung: “Der Abend war wundervoll. Einfach wunderbar, die Aufführung zu sehen und die Stimmen zu hören. Und das Publikum hat so lange geklatscht. Ich freue mich wirklich sehr“, sagte sie. „Wissen Sie, ich glaube an ein Leben nach dem Tod. Ich weiß nicht, welche Form es genau hat. Aber mein Vater schaut mir immer über die Schulter. Er ist immer da, wenn der Taktstock sich erhebt.“

IOCO / Breandain O Shea / 03.01.2015